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Re: [OT] Linux vs. Windows



Moin,

Am Freitag, den 11.11.2005, 00:06 +0100 schrieb Andreas Pakulat:
> Wieso eigentlich? Ich mache das so, und ich hab bis zu einem gewissen
> Grad auch Spass an der Rumtueftelei. Aber ich sehe das schon bei
> meiner Mutter oder meiner Freundin - die noch verhaeltnismaessig
> _viel_ Ahnung haben. Wieso muessen die wissen wie sie nen WLAN-Treiber
> kompilieren koennen, wieso muessen die wissen welchen Treiber sie fuer
> ihre Soundkarte laden muessen, wieso muessen die ueberhaupt wissen was
> ein Kernelmodul ist... 

In der Strasse der Betriebssystem gibt es schon zwei Restaurants. Das
erste ist eine Pizzeria namens Windows. Das zweite ist auch eine
Pizzeria namens Mac OS. Jetzt werden nebenan Räumlichkeiten frei. Was
würdest du eröffnen? 

Eine Pizzeria? 
Die dritte? 

Wie lange soll das gut gehen? Und warum?


Es gibt Leute, die wollen ganz viel Müll aus dem Geilgeiz-Markt mit nach
Hause nehmen, in ihre Kiste reinstopfen und das soll "gehen", und eine
lustige Büroklammer soll singen, während der Drucker druckt. 
Machen wir uns nichts vor: Windows setzt diese Philosophie so gut um wie
irgendwie geht. Man kann über dies und das diskutieren, aber summa
summarum: Die Probleme, die es dabei hat, würde jedes OS haben, von dem
erwartet wird, dass es selbsttätig die Kenntnisse des Nutzers ersetzt.
Dieses Klientel ist mit Windows optimal bedient. Es ist der "Manta"
unter den Betriebssystemen.


Dann gibt es noch eine weitere Gruppe: Die wollen, dass ihre Kiste
optimal funktioniert, damit sie damit arbeiten können. Dafür geben sie
einen Haufen Geld aus und akzeptieren, dass sie nur die Wahl haben
zwischen zwei Netzwerkkarten und zwei Textverarbeitungen. Nach drei
Jahren ist die Kiste unbrauchbar veraltet.
Das sind die Mac User. Mit einem Mac arbeite ich beruflich, und wo die
von der GUI-Usability her stehen, wird Linux in 10 Jahren noch nicht
sein. Wer das bestreitet, kennt die Mac-GUI nicht *wirklich*.


Um es mal in Marketingsprech zu sagen: 
Diese Kunden sind schon belegt.

Niemand wird von Windows zu Linux wechseln, weil es das gleiche ist, nur
80€ billiger, und kaum Spiele?

Niemand wird von Mac OS zu Linux wechseln, weil er damit das gleiche
machen kann, nur 200€ billiger und etwas schlechter in der Bedienung?



Die Leute werden zu Linux wechseln, weil sie *unzufrieden* sind mit dem,
was sie haben, und weil sie stattdessen das wollen, was Linux kann.

Unzufriedenheit kann viele verschiedene Gründe haben. 

Es kann sein, dass der Rechner, mit dem die Hausfrau/der Hausmann seine
Rezepte verwaltet, einfach dauernd bluescreent. Das nervt.

Es kann sein, dass der Bastler einfach gelangweilt ist, beim rumtüfteln
ständig an die Grenzen eines Closed-Source-Systems zu stossen.

Es kann sein, das eine Wohngemeinschaft für ihren Mail- Web- Server-
Router- Mldonkey- Rechner in der Besenkammer einfach die Lizenz
begradigen will, ohne Geld für einen legalen Server von Apple oder M$ zu
haben.

Es kann auch ein ganz profaner Grund sein: Ich zum Beispiel finde die
nicht stabil themebare Oberfläche von Mac OS X derartig abstossend
hässlich, das ich daran nicht arbeiten will, zwischen drehenden
Tuntenbällen und Scrolltampons.


Wir sollten Linux innovativ halten, ja. Wir müssen aber nicht werden wie
andere, die dann trotzdem nicht zu Linux wechseln würden. "Abgucken" ist
OK, aber nur so weit es nicht die grundlegende Philosophie verletzt, die
uns immerhin groß gemacht hat. Wir brauchen uns mit dem, was wir haben,
nicht zu verstecken, bei allen Problemen ist es ein hervorragendes
System!


Was sind die Stärken von Linux?

Linux ist ein stabiles und überschaubares System, wenn es vom
(Halb-)Profi für DAUs eingerichtet wird. Das liegt an seiner unixoiden
Historie. Das ist unsere Stärke, und deswegen kommen Leute zu Linux. 
Deswegen. Nicht trotzdem!

Wenn sie den Rechner über lustige Büroklammern bedienen wollen, dann
sollen sie ruhig Windows nehmen - es kommt uns letztlich zugute, wenn
Leute massenhaft lustige Büroklammersysteme an die Wand klatschen. Oder
wenn in der Tagesschau eine Meldung kommt, dass sich weltweit 10
Millionen Büroklammersysteme unter der Kontrolle eines Schülers aus
Winsen/Luhe befinden. 

Besser so, als wenn massenhaft lernunwillige(!) Laien über Linux
herfallen und das System noch schlecher finden als ihr bisheriges.



Meine Mutter hat einen Linux-Rechner. Und du kannst dir nicht
vorstellen, wie entsetzlich wenig Ahnung von Computern ein Mensch haben
kann. Neulich stellte ich fest, dass Google ihre Startseite ist. Wenn
sie irgendwo was von "www.example.com" gelesen hat und da hinwill, gibt
sie das in Google ein und klickt auf "Suchen". Dann findet Google als
erstes diese Domain, und sie drückt drauf. Warum nicht in die
Adresszeile? Weil da kein "Abschicken"-Knopf ist, und von "Return" habe
ich nichts erzählt.

Na und?

Trotzdem kann sie vor ihren Arbeitskolleginen rumprahlen, dass sie
dauernd im Internet ist, und die anderen haben alle dauernd einen Virus,
den der Schwager/Bruder/Onkel wegmachen muss - nur meine Mutter surft,
ersteigert, verkauft und bucht Reisen, auch ohne Returntaste, und
trotzdem ohne Virus.

Ihr System startet in eine Art "Kiosk"-Modus. Da sind drei Knöppe:
"WWW", "Mail" und "Ausschalten". Gelegentliche Updates spiele ich aus
200 km Entfernung per ssh ein.

Wie sollte das System den Fähigkeiten meiner Mutter entgegen kommen?

Gar nicht! Es ist gut so, wie es ist. Und die Kiste läuft steinstabil.


Und, so nebenbei, wer ist denn bei den Arbeitskolleginnen der
Schwager/Bruder/Onkel, der die Viren entfernt, eine aktuelle Raubkopie
des Virenscanners aufspielt und vierteljährlich die Adware entfernt? Der
ist doch nichts anderes als der "Admin", den Windows angeblich nicht
braucht, sondern nur so schwierige Frickelsysteme wie Linux?

Nene, da sitzen wir doch am längeren Hebel. Bei uns kommt der Admin bei
der Installation, spielt cron-apt auf, verrät dem User nicht das
root-Passwort, macht den ssh-port auf und hinterlässt glückliche
Menschen.


Übrigens: Eines sollte man nicht ausser acht lassen: Ein Linux-System
wird normalerweise nur kaputtgemacht, weil ein "Anwenderadmin" seine
Kompetenz überschätzt hat und unbedingt KDE vierzwölf aufspielen musste.
Genau dieses Klientel sollten wir keinesfalls unterstützen, die
hinterlassen Spuren von zerbröselten Systemen. Entweder lernt man das
ordentlich und wird "Privatadmin mit sid", oder man lässt es bleiben und
bleibt "User mit Sarge", aber bitte keine gefährlichen Werkzeuge für
digitale Schraubenabreisser. Das klappt schon bei Windows nicht:
Registry-Aufräumer, Plattencleaner und Systembeschleuniger sind des
kleinen Mannes Bulldozer.


Gruß,
Ratti

-- 
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