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Re: [Debian]: Debian und freie Software o. Warum KDE nicht frei ist



### Deutsche Debian-User-Mailingliste ###


Hallo Welt!

Ich verstehe, daß einige mit diesem Thema nichts anfangen können, entweder,
weil es ihnen egal ist, oder weil sie sich schon woanders mit diesem Thema
auseinandergesetzt haben. Ich möchte deshalb bitten, wo immer es angebracht
ist, auf private Mail auszuweichen. Mich interessiert das Thema sehr, aber
ich sehe auch die Gefahr, daß es ins bodenlose oder ins "off-topige"
abdriftet, daher meine Bitte.

On Tue, Sep 02, 1997 at 01:57:41PM +0200, Kalle Dalheimer wrote:
> Marcus Brinkmann wrote:
> > Ich habe jetzt mal einen näheren Blick auf die Lizensen geworfen, und wollte
> > doch mal die Lizenzen von KDE und vor allem von Qt aus der Sicht des Social
> > Contracts von Debian begutachten (siehe Übersetzung von Christian auf dieser
> > Liste).
> > 
> > 1) Qt ist nicht frei.
> 
> Das hängt von Deiner Interpretation von "frei" ab. Nach meiner
> Interpretation (die ich hier bereits erläutert habe), ist die freie
> Lizenz von Qt freier als die GPL.

Im ersten Absatz meiner Mail steht "aus der Sicht des Social Contracts von
Debian". Lies dieses Dokument, und Du kennst meine Interpretation von
"frei", und wie man das Wort "frei" in meiner Mail zu lesen hat. Für die
andere Interpretation (Qt) habe ich immer "Free" geschrieben.

> > Qt hat eine Lizenz zum Schreien. Erstmal: Es gibt zwei verschiedene
> > Lizenzen, eine "Free Software" und eine "Prfoessional Developement".
> > Die "Free" greift bei Gebrauch auf einem "X Windows System", die "Prof" kann
> > unter mehreren Systemen eingesetzt werden.
> >  * damit diskriminiert die "Free" Lizenz bestimmte Softwaresysteme.
> 
> Ja, und? Wenn ich mir anschaue, daß die Unix-Versionen von Programmen
> immer teurer sind als die Windows-Versionen, dann bin ich froh, daß
> hier einmal in der anderen Richtung diskriminiert wird. Außerdem ist
> unter Windows freie Software sowieso so gut wie unbekannt, und wenn
> jemand für einen Primitiv-Shareware-Editor gleich DM 50,- haben will,
> dann soll er doch auch bitte eine Qt-Lizenz kaufen. 

Diskriminierung gegen bestimmte Betriebssysteme mach ein Programm im Debian
Sinne eindeutig "non-free". Deshalb die Zeile in meiner Mail. Und das ist
auch gut so: Denn wo sollte die Grenze gezogen werden (z.B. könnte eine
Lizenz auch den Gebrauch deines Lieblingseditors verbieten). Es gibt/gab in der
Tat eine Lizenz, die den Gebrauch der Software durch die Südafrikanische
Polizei verbot. Andere Kuriositäten sind ebenfalls unterwegs. Und die Qt
Lizenz verbietet definitiv zukünftige, X ähnliche, "Betriebssysteme". (Hat
mal jemand wieder was vom Berlin Konsortium gehört?). Also kann die Qt
Lizenz nicht völlig optimal freie Software unterstützen.

> > Ist denn die "Free" Lizenz frei?
> > * Qt darf nicht modifiziert werden!
> > * Das Endprodukt muß unter die GPL fallen (oder LGPL oder ähnlich).
> 
> Nein, es muß im Source-Code zur (kosten-)freien Verwendung zur
> Verfügung gestellt werden (u.a. über TT's ftp-Server). 

na ja, nicht nur das. Der Source Code muß auch veränderbar sein und einiges
anderes. In der Tat stellt Qt drei Optionen zur Verfügung: GPL, LGPL und
eine "selbstgestrickte", die in der Essenz ähnlich ist. Darum meine Klammer
oben.

> > Dieser Punkt ist merkwürdig und eigentlich wiedersinnig. Denn die Programme
> > können zwar formal die Auflagen der GPL erfüllen, aber der Idee der GPL,
> > z.B. die uneigeschränkte Übertragung auf andere Betriebssysteme, wird nicht
> > im geringsten entsprochen.
> 
> Im Unix-Bereich halt schon. Und welches andere GNU-Programm ist denn
> portabel auf Win32? Also, ob man die Übertragung nun durch
> nicht-portablen Code oder durch die Lizenz verhindert ist doch für die
> praktische Anwendung das gleiche.

Nicht portabler Code mit GNU Lizenz kann gepatcht werden. Und das ist nicht
das gleiche. Übrigens gibt es einige GNU Programme zumindest unter DOS (gcc,
emacs,...).

> > * Wenn man dafür bezahlt wird, daß man ein GPL Programm schreibt, welches Qt
> >   benutzt, dann darf die Software keine Bibliotheken, Programme, Daten oder
> >   Dokumentationen zum Kompilieren oder Benutzen brauchen, die nicht
> >   außerhalb der Organisation verfügbar sind.
> 
> Das ist ja wohl gerade im Sinne der GPL, oder nicht? Wer die freie
> Lizenz benutzt, der soll auch wirklich freie Programme schreiben,
> nicht solche, die man doch nicht benutzen kann, weil wichtige Teile
> fehlen (wie z.B. bei IBMs "großzügiger" Open-Doc-Freigabe).

Auf einer Windows Plattform zum Beispiel fehlt ein Teil immer: Die Qt
Bibliothek :-) Ohne sich im Kreis zu drehen: Der Knackpunkt ist, daß dies
eine extra Lizenz für Leute ist, die für's Programmieren bezahlt werden.
Die GPL hat keine solche Klauseln, zumindest nicht für Bibliotheken.

> > * Dann muß man noch diverse Informationen zu Troll tech schicken.
> 
> Hä? Was soll das sein?

Dazu hat dir Hanno schon was geschrieben.

[snipped]
> Wer Qt allerdings als
> "Werbegag" bezeichnet, also etwas, was außer dem Werbeeffekt für den
> Hersteller niemandem etwas nützt, der hat offensichtlich keine Ahnung
> - weder von Qt, noch von Werbung.

Ich hoffe, daß Du meine Mail nicht so verstanden hast. Andererseits habe ich
damit wohl überzogen. Ich ziehe das mit der Werbung also höflich entschuldigend
zurück.

> > Wer wirklich freie Software programmieren will, kann Qt's Toolkit gar nicht
> > verwenden. Denn selbst wenn die Software selbst frei ist, Qt muß dabei sein
> > (sonst läuft's nicht). Klasse. Weil die Software wie KDE unter GPL ähnliche
> > Lizenzen fallen muß, falls sie die "Free" Lizenz benutzt, kann Qt sie
> > natürlich umsonst mit Qt "Prof" Versionen verkaufen, geschickt
> > gemacht.
> 
> Ich programmiere wirklich freie Software und benutze Qt. Auch habe ich
> noch keine Post von Trll Tech's Rechtsanwälten bekommen, und als ich
> letztes Wochenende Arnt und Eirik getroffen habe, haben sie mich nicht
> gelyncht, sondern mit mir Bier getrunken. Reicht das als Antwort.

Kalle, ich will wirklich keiner Fliege was. Die Entwickler von Qt und von
KDE sind mit Sicherheit alles tolle Menschen, und ich respektiere ihre
Entscheidung, nicht die GPL zu verwenden.

Wenn man unter freie Software die Definition von Debian versteht, oder die
von Richard Stallman (FSF), dann hat man mit Qt mehr als nur ein Problem.
Wenn das in dem obigen Absatz ein bißchen patzig klingt, sorry.

Wenn KDE (als Beispiel) auch andere Toolkits unterstützt (die
nicht von Qt abhängen), dann ist KDE wirklich freie Software. Da die
Möglichkeit da ist, KDE umzuschreiben (lizenzrechtlich gesehen), ist KDE
immerhin *fast* frei. Aber solange in den Dependencies von dpkg "Qt" steht,
kann KDE aus philosophisch-politischen Gründen nicht in die (Main) Debian
Distribution. Sorry.

> Übrigens habe ich sowohl die freie als auch die kommerzielle Version
> von Qt und kann daher (besser als Du) beurteilen, daß der Unterschied
> nur in einem Kommentarblock am Anfang jeder Quelldatei liegt.

??? Habe ich jemals etwas anderes behauptet?

> > 2) KDE ist nicht frei.
> > 
> > KDE läuft nicht ohne Qt. Qt ist nicht frei. -> KDE hängt von Qt ab. (Social
> > Contract) -> KDE ist nicht frei.
> 
> Das ist eine im gleichen niedrigen Maße zulässige Schlußfolgerung wie
> Linux benötigt Hardware -> Hardware kostet Geld -> Linux ist nicht
> frei.

Falsch. "Frei" im Debian und GPL Sinne meint nicht kostenlos. "Freie
Software" meint etwas ganz anderes (im Zweifelsfall in die GPL oder in den
Social Contract schauen). Ich wundere mich, daß Du auf einer solchen Ebene
argumentierst.

> > Wahrscheinlich hat sich hier Qt selbst eine Hintertür gebaut: Da alle
> > Programme, die auf der "Free" Version von Qt beruhen, unter GPL ähnliche
> > Lizenzen fallen müssen, können sie natürlich für ein freies Toolkit angepaßt
> > werden. So wie GNOME das jetzt voraussichtlich für KDE machen
> > wird. Also
> 
> Ach? GNOME ist also eine Portierung von KDE auf gtk????? Das würde
> allerdings erklären, warum deren Bildschirm-Konfigurationsdialog
> genauso aus sieht wie unserer...

Es mag sich so entwickeln, daß GNOME in etwa diesen Weg gehen wird. Dies ist
in der Welt der freien Software durchaus üblich. Vielleicht könnt ihr ja
auch noch davon profitieren, indem ihr wieder Dinge von GNOME übernehmt.

> > Debian wird sich jedenfalls nicht davon abhängig machen.
> > 
> > Schlußfolgerung: Qt wird mit solchen Lizenzen niemals auch nur in die Nähe
> > der Debian Main Distribution rücken. Da wurden schon ganz andere Lizenzen
> > wegen weniger abgelehnt. KDE wird erst dann Bestandteil der Debian werden,
> > wenn mindestens ein freies Toolkit unterstützt wird, entweder direkt durch
> > KDE selbst, oder durch einen anderen Entwicklungszweig von KDE, der aufgrund
> > der Lizenzbedingungen von der "Free" Version von Qt immer möglich ist (oder
> > KDE müßte eine "Prof" Lizenz kaufen).
> 
> Die Debian-Leute können - genau wie wir - machen, was sie wollen. Es
> tut mir halt nur für die Debian-Benutzer leid, daß ihnen
> möglicherweise durch den Fanatismus einzelner KDE vorenthalten wird -
> sie haben so nicht einmal die Möglichkeit, KDE zu evaluieren, ob sie
> es am Ende gut finden oder nicht.

Mit Fanatismus hat das nichts zu tun. Debian ist stark in seinen Prinzipien.
KDE wird ein non-free Bestandteil einiger Debian Distributionen sein, aber
nicht offiziell. So wie viele andere Dinge wie z.B. pine oder aladdin
ghostscript. Natürlich werden Debian User KDE evaluieren, und viele werden
es Nutzen.

> > Ein persönliches Wort noch an Kalle: Ich verstehe nicht, warum ihr euch über
> > das GNOME Projekt ärgert. Ihr habt es doch selbst so gewählt: Qt fordert so
> > etwas wie GNOME mit seiner Lizenz geradezu heraus. Hättet ihr ein freies
> > Toolkit benutzt, daß unter der LGPL liegt (wie gtk !?), dann hättet ihr auch
> > KDE mit einer restriktiveren Lizenz versehen können. So sind euch durch Qt
> > die Hände gebunden.
> 
> Auch die GNOME-Leute können sie natürlich machen, was sie wollen. Ich
> halte halt nur viel von intellektueller Redlichkeit, und vorzugeben,
> einen eigenen Desktop entwickeln zu wollen, aber dann alles von uns zu
> nehmen, ist mE unredlich. Dann sollen die GNOME-Leute sich doch
> "gtk-KDE" oder ähnlich nennen und ausdrücklich sagen, daß sie KDE auf
> gtk portieren wollen. Dagegen hätten wir überhaupt nichts
> einzuwenden. Oder sie sollten ihr Programmiertalent und ihre Zeit
> darauf verwenden, RMS' "FreeQt"-Initiative zu unterstützen.

Sie schreiben glaube ich lieber KDE um, weil der SourceCode kleiner ist als
der von Qt (steht so auf der Homepage).

> Noch einmal: Wir haben Qt nicht aufgrund der Lizenz oder sonstiger
> nicht-technischer Gründe gewählt, sondern weil es allen anderen
> Toolkits deutlich überlegen ist. Ein Umstieg ist (bei zur Zeit etwa
> 90000 Zeilen Sourcecode) nicht mehr zu vertreten.

<SPEKULATION>
Der Erfolg der freien Software läßt die Vermutung in mir stark werden, daß
entweder KDE selbst ein freies Toolkit unterstützen wird (mindestens als
zusätzliche Option), oder daß andere diese Arbeit übernehmen werden.
</SPEKULATION>

Qt ist toll, KDE ist toll, GNOME und gtk sind toll, FreeQt bestimmt auch.
Alle helfen der freien Software.
Aber die Lizenz von Qt ist etwas merkwürdig, und sie nützt der freien
Software auf etwas eigenartige Weise, indem sie GPL vorschreibt für
Programme, die die Bibliothek benutzen. Das ist gar nicht im Sinne der LGPL,
die ja die GNU Lizenz für Bibliotheken ist. Man stelle sich vor, alle
Programme die mit glibc gelinkt sind, müssen unter die GPL fallen!

Ich persönlich hoffe, daß sich die verschiedenen Projekte dieser Art
gegenseitig befruchten werden, und daß dabei das Bestmögliche herauskommt
(was dann nebenbei auch frei ist), so wie das in vielen anderen Bereichen
schon der Fall ist.

Marcus

-- 
"Rhubarb is no Egyptian god."
Marcus Brinkmann
Marcus.Brinkmann@rz.ruhr-uni-bochum.de
http://homepage.ruhr-uni-bochum.de/Marcus.Brinkmann/
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