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Re: [Debian]: Debian und freie Software o. Warum KDE nicht frei ist



### Deutsche Debian-User-Mailingliste ###

Marcus Brinkmann wrote:
> 
> ### Deutsche Debian-User-Mailingliste ###
> 
> 
> Hallo!
> 
> Ich habe jetzt mal einen näheren Blick auf die Lizensen geworfen, und wollte
> doch mal die Lizenzen von KDE und vor allem von Qt aus der Sicht des Social
> Contracts von Debian begutachten (siehe Übersetzung von Christian auf dieser
> Liste).
> 
> 1) Qt ist nicht frei.

Das hängt von Deiner Interpretation von "frei" ab. Nach meiner
Interpretation (die ich hier bereits erläutert habe), ist die freie
Lizenz von Qt freier als die GPL.

> 
> Qt hat eine Lizenz zum Schreien. Erstmal: Es gibt zwei verschiedene
> Lizenzen, eine "Free Software" und eine "Prfoessional Developement".
> Die "Free" greift bei Gebrauch auf einem "X Windows System", die "Prof" kann
> unter mehreren Systemen eingesetzt werden.
>  * damit diskriminiert die "Free" Lizenz bestimmte Softwaresysteme.

Ja, und? Wenn ich mir anschaue, daß die Unix-Versionen von Programmen
immer teurer sind als die Windows-Versionen, dann bin ich froh, daß
hier einmal in der anderen Richtung diskriminiert wird. Außerdem ist
unter Windows freie Software sowieso so gut wie unbekannt, und wenn
jemand für einen Primitiv-Shareware-Editor gleich DM 50,- haben will,
dann soll er doch auch bitte eine Qt-Lizenz kaufen. 

> 
> Ist denn die "Free" Lizenz frei?
> * Qt darf nicht modifiziert werden!
> * Das Endprodukt muß unter die GPL fallen (oder LGPL oder ähnlich).

Nein, es muß im Source-Code zur (kosten-)freien Verwendung zur
Verfügung gestellt werden (u.a. über TT's ftp-Server). 

> Dieser Punkt ist merkwürdig und eigentlich wiedersinnig. Denn die Programme
> können zwar formal die Auflagen der GPL erfüllen, aber der Idee der GPL,
> z.B. die uneigeschränkte Übertragung auf andere Betriebssysteme, wird nicht
> im geringsten entsprochen.

Im Unix-Bereich halt schon. Und welches andere GNU-Programm ist denn
portabel auf Win32? Also, ob man die Übertragung nun durch
nicht-portablen Code oder durch die Lizenz verhindert ist doch für die
praktische Anwendung das gleiche.

> * Wenn man dafür bezahlt wird, daß man ein GPL Programm schreibt, welches Qt
>   benutzt, dann darf die Software keine Bibliotheken, Programme, Daten oder
>   Dokumentationen zum Kompilieren oder Benutzen brauchen, die nicht
>   außerhalb der Organisation verfügbar sind.

Das ist ja wohl gerade im Sinne der GPL, oder nicht? Wer die freie
Lizenz benutzt, der soll auch wirklich freie Programme schreiben,
nicht solche, die man doch nicht benutzen kann, weil wichtige Teile
fehlen (wie z.B. bei IBMs "großzügiger" Open-Doc-Freigabe).

> * Dann muß man noch diverse Informationen zu Troll tech schicken.

Hä? Was soll das sein?

> 
> Pfuh, also nee. Mit freier Software hat das nichts zu tun. Das wirkt
> wie ein Werbegag - Leute sollen Qt kennen und lieben lernen,
> und dann sollen andere die "Prof" Version für very teure dollar kaufen.
> Das KDE ausschliesslich dieses Toolkit verwendet, unterstützt Qts kommerzielle
> Absichten natürlich stark, ...

Von den Kern-Entwicklern im KDE-Projekt bin ich meines Wissens der
einizge, der eine kommerzielle Qt-Lizenz gekauft hat. Natürlich hat
die freie Lizenz einen Werbeeffekt für Troll Tech - warum auch nicht?
Hier bekommt die freie Software-Gemeinde ein Toolkit umsonst und im
Source-Code zur Verfügung gestellt, das alle anderen um Längen schlägt
und in dem viele Jahre Entwicklungsarbeit stecken, und dann soll Troll
Tech nicht einmal einen Werbeeffekt haben? Wer Qt allerdings als
"Werbegag" bezeichnet, also etwas, was außer dem Werbeeffekt für den
Hersteller niemandem etwas nützt, der hat offensichtlich keine Ahnung
- weder von Qt, noch von Werbung.

> 
> Wer wirklich freie Software programmieren will, kann Qt's Toolkit gar nicht
> verwenden. Denn selbst wenn die Software selbst frei ist, Qt muß dabei sein
> (sonst läuft's nicht). Klasse. Weil die Software wie KDE unter GPL ähnliche
> Lizenzen fallen muß, falls sie die "Free" Lizenz benutzt, kann Qt sie
> natürlich umsonst mit Qt "Prof" Versionen verkaufen, geschickt
> gemacht.

Ich programmiere wirklich freie Software und benutze Qt. Auch habe ich
noch keine Post von Trll Tech's Rechtsanwälten bekommen, und als ich
letztes Wochenende Arnt und Eirik getroffen habe, haben sie mich nicht
gelyncht, sondern mit mir Bier getrunken. Reicht das als Antwort.

Übrigens habe ich sowohl die freie als auch die kommerzielle Version
von Qt und kann daher (besser als Du) beurteilen, daß der Unterschied
nur in einem Kommentarblock am Anfang jeder Quelldatei liegt.

> 
> 2) KDE ist nicht frei.
> 
> KDE läuft nicht ohne Qt. Qt ist nicht frei. -> KDE hängt von Qt ab. (Social
> Contract) -> KDE ist nicht frei.

Das ist eine im gleichen niedrigen Maße zulässige Schlußfolgerung wie
Linux benötigt Hardware -> Hardware kostet Geld -> Linux ist nicht
frei.

> Soweit für Debian. Irgendjemand schrieb, daß entweder Debian gehen muß, wenn
> KDE "ein Knüller" wird, oder Debian Qt mitliefern muß. Das ist Quatsch! Über
> Motif ließe sich das gleiche behaupten, und da stimmts auch nicht.

Der Jemand war ich. Und ich wollte damit auch lediglich sagen, daß die
Anwender schon entscheiden werden, ob Debian KDE enthalten muß oder
nicht. Der Vergleich mit Motif ist unpassend, weil Motif ein Produkt
für Entwickler ist, die kein Problem haben, eine zusätzlich
eingekaufte Bibliothek zu installieren. KDE ist aber (auch) für
Endbenutzer gedacht, die ihre Linux-Distribution installieren wollen
und dann arbeiten wollen - ohne noch groß etwas zu compilieren oder
Konfigurationsdateien zu editieren, zumindest solange nicht, bis sie
mehr Erfahrugnen mit ihrem System haben.

> 
> Wahrscheinlich hat sich hier Qt selbst eine Hintertür gebaut: Da alle
> Programme, die auf der "Free" Version von Qt beruhen, unter GPL ähnliche
> Lizenzen fallen müssen, können sie natürlich für ein freies Toolkit angepaßt
> werden. So wie GNOME das jetzt voraussichtlich für KDE machen
> wird. Also

Ach? GNOME ist also eine Portierung von KDE auf gtk????? Das würde
allerdings erklären, warum deren Bildschirm-Konfigurationsdialog
genauso aus sieht wie unserer...

> mache ich mir keine Sorgen in dieser Hinsicht. Mag sein, daß Qt ein ganz
> tolles Produkt ist (Motif ist auch eins), aber es wird sich nicht der freien
> Software in den Weg stellen können, sondern sie nur verstärken.

Daß manche es nie begreifen können: Qt/Troll Tech hat überhaupt nicht
die Absicht, sich der freien Software in den Weg zu stellen, sondern
sie zu fördern. Ohne Qt wäre ein großer Haufen freier Software nie
geschrieben worden. (Ich zumindest hätte keine Lust, KDE mit Motif zu
entwickeln.) 

> 
> Debian wird sich jedenfalls nicht davon abhängig machen.
> 
> Schlußfolgerung: Qt wird mit solchen Lizenzen niemals auch nur in die Nähe
> der Debian Main Distribution rücken. Da wurden schon ganz andere Lizenzen
> wegen weniger abgelehnt. KDE wird erst dann Bestandteil der Debian werden,
> wenn mindestens ein freies Toolkit unterstützt wird, entweder direkt durch
> KDE selbst, oder durch einen anderen Entwicklungszweig von KDE, der aufgrund
> der Lizenzbedingungen von der "Free" Version von Qt immer möglich ist (oder
> KDE müßte eine "Prof" Lizenz kaufen).

Die Debian-Leute können - genau wie wir - machen, was sie wollen. Es
tut mir halt nur für die Debian-Benutzer leid, daß ihnen
möglicherweise durch den Fanatismus einzelner KDE vorenthalten wird -
sie haben so nicht einmal die Möglichkeit, KDE zu evaluieren, ob sie
es am Ende gut finden oder nicht.

> 
> Ein persönliches Wort noch an Kalle: Ich verstehe nicht, warum ihr euch über
> das GNOME Projekt ärgert. Ihr habt es doch selbst so gewählt: Qt fordert so
> etwas wie GNOME mit seiner Lizenz geradezu heraus. Hättet ihr ein freies
> Toolkit benutzt, daß unter der LGPL liegt (wie gtk !?), dann hättet ihr auch
> KDE mit einer restriktiveren Lizenz versehen können. So sind euch durch Qt
> die Hände gebunden.

Auch die GNOME-Leute können sie natürlich machen, was sie wollen. Ich
halte halt nur viel von intellektueller Redlichkeit, und vorzugeben,
einen eigenen Desktop entwickeln zu wollen, aber dann alles von uns zu
nehmen, ist mE unredlich. Dann sollen die GNOME-Leute sich doch
"gtk-KDE" oder ähnlich nennen und ausdrücklich sagen, daß sie KDE auf
gtk portieren wollen. Dagegen hätten wir überhaupt nichts
einzuwenden. Oder sie sollten ihr Programmiertalent und ihre Zeit
darauf verwenden, RMS' "FreeQt"-Initiative zu unterstützen.

Noch einmal: Wir haben Qt nicht aufgrund der Lizenz oder sonstiger
nicht-technischer Gründe gewählt, sondern weil es allen anderen
Toolkits deutlich überlegen ist. Ein Umstieg ist (bei zur Zeit etwa
90000 Zeilen Sourcecode) nicht mehr zu vertreten.

Kalle

-- 
Kalle Dalheimer                 Contract programming for Unix
kalle@dalheimer.hh.eunet.de     Technical writing
kalle@kde.org                   Technical editing
kalle@oreilly.de
mdalheimer@acm.org              Don't let your friends boot NT!
	
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