Re: Debian testing
Am Wed, 09 Oct 2013 18:15:30 +0200
schrieb Dirk Weber <dma-weber@globe.lu>:
> Op 08-10-13 22:20, Marco Maske schreef:
> > Wie viele andere auch, würde ich Dir auch raten, stable weiter zu
> > verwenden.
> Also ich habe hier in diesem Thread gerade noch ein weiteres Posting
> dieses Inhalts gefunden (kommt vielleicht noch mehr).
Es ist und bleibt der offizielle Konsenz, auch wenns hier nicht zwanzig
mal erwähnt wurde.
> Das ist eine uralte Auseinandersetzung. Wie so oft kann ein kleiner
> Blick in die Praxis zur Erhellung beitragen.
Klar, sofern man in die Praxis *aller* Testing-Nutzer blickt. Das ist
wirklich eine uralte Auseinandersetzung und besonders die "Testing is
doch toll für quasi jeden!"-Leuts sind entweder ignorant oder... ja nix
oder, die Umstände warum man testing *nicht* frei für erstmal jeden
empfiehlt sind so kompliziert nicht! Die kann man problemlos verstehen.
Wer das selbst nach stubbsen auf die Thematik nicht tut: Ignorant.
> Ich selber fahre meine Workstation seit diversen Jahren unter Debian
> testing. Das mit mehreren GUIs und einem recht breiten Spektrum an
> installierten Anwendungen. Ich speile halt gerne mal da rum.
Ich selbst fahre meine Workstations (so um die fünf) seit vielen Jahren
mit testing, zumeist sogar unstable. Das Spektrum is dabei wirklich ne
Ecke breiter als bei Dir und selbst da würde ich nie auf die Idee
kommen zu behaupten es wäre überhaupt erst nen breites Spektrum. Und
ich weiß nicht was Du unter "spielen" verstehst, aber vermutlich mache
ich das selbe: Viel Software ausprobieren.
> Ich habe bislang keinerlei Probleme mit meinem System gehabt, es läuft
> einfach. Es mag durchaus sein, dass sid wirklich nicht empfehlenswert
> ist, aber testing kann ich jedem für seinen Arbeitsplatzrechner
> empfehlen.
Ich habe bislang *je nach Hardware* (und Verwendungszweck) das eine oder
andere Problem erlebt. Simple Abhängigkeitsprobleme, die bei unstable
halt gerne mal vorkommen, zähle ich da explizit nicht dazu! Nur um mal
nen paar Probleme exemplarisch zu nennen: ThinkPad Pentium 4m T43 (mein
Lieblingslaptop), Kernel-upgrade und die Kiste brauchte auf einmal 5
Minuten länger zum booten (irgend nen Kernelmodul hatte nen Problem ->
Timeout nach N Minuten); FuSie AMD Turion64 Möhre (nen XBMC Client),
nach nem Kernelupgrade war die IR-Fernbedienung putt, man mußte dann auf
einmal zweimal nen Knopf drücken bis der "Befehl" ankam; Core2Duo
(meine Hauptworkstation), nach Kernelupgrades *2* *mal* innerhalb eines
Jahres SATA-Hotplug eines Controllers putt; Toshiba Pentium 4m
Convertible, Nach Xorg-upgrade Wacom-Tablet putt; Und als fast
Rechner-agnostisches Problem, CUPS, hab halt vornehmlich Kyocera
PostScript Drucker und nach nem Cups/foomatic-upgrade war Drucken putt,
kam nur noch Müll (wenn überhaupt) aus *allen* Druckern von *allen*
Rechnern raus. Ich kann Dir versichern, die Probleme sind nicht
sid-spezifisch, sondern hardware-spezifisch. Es gab bei fast jedem der
Probleme nen passenden Bugreport von mir, der zeigte, daß der Bug
zumeist auch in testing auftrat.
Nein, ich kann weder unstable noch testing für "normale" oder
relativ neue Anwender empfehlen. So überhaupt gar nicht! Und dieses
Urteil geben die meisten Leuts die nen bissl breitere Erfahrung mit der
Materia haben und eben realisieren wie unsagbar breit die verwendeten
Hardware- und Software-setups bei den Usern weltweit ausschaut. Da
spielen Einzelerfahrungen ala "Bei mir läufts super" so gar keine
Rolle. Glück für den der keine Probleme hat, Ignorant wer denkt das
wäre überall so.
> Stable hat den großen Vorzug, dass es hier noch deutlich
> unwahrscheinlicher ist, dass das System nicht mehr läuft. Dabei ist
> aber die bereitgestellte Software oft älter, dafür aber immer auf
> optimalem Stabilitäts- und Sicherheitsstand.
Err... in stable ist es quasi ausgeschlossen, daß nen mal laufendes
System auf einmal nicht mehr tut was es soll. Das is ja eben genau der
Punkt von stable! Es ist stabil! Es ist zwar durch die etwas
abgehangeneren Versionen auch stabiler im herkömmlichen Sinn, aber das
is eben nur die Hälfte des Stable-Deals.
Und genau das is der GROSSE Nachteil von testing und unstable. Es sind
beides relativ schnelle, bewegliche Ziele. Die jeweiligen
Grundprinzipien bedingen dort eben eine klare Absage für die Masse
aller Nutzer den Kram zu verwenden. Und da is man im Zweifel auch eher
konservativ unterwegs, weil testing oder unstable für den einen oder
anderen trotzdem ja durchaus geeignet sein mag.
> Entsprechend habe ich auf userem Server dann auch stable laufen. Dazu
> kommt, dass im Bereich der Serveranwendungen neue Features eher
> selten sind.
>
> Debian heftet seit seinen Urzeiten immer noch das Etikett an, es sei
> für Neulinge ziemlich unhandlich. Das wird dann oft mit einer
> Bevorzugung von Ubuntu gekoppelt. Ich habe Ubuntu mal ausprobiert,
> sagte mir nicht zu (vor allem die fehlende initiale Trennung von root
> und Standarduser).
Neulinge brauchen entweder immer und überall jemanden der ihnen den
Poppes abwischt und das Händchen hält, oder zumindest am Anfang. Und
ja, Debian könnte/sollte/müßte da nen bissl was Verändern um Neuen den
Einstieg zu erleichtern. Aber zumindest meiner *starken* Überzeugung
nach, darf das niemals in nen lebenslangen Popo-Abwisch-Service
verfallen. Es sollte schon immer das Ziel sein den Nutzer im Zweifel an
Debian zu gewöhnen und nicht Debian an den Benutzer. Das man dabei aber
auch besonders den Einstieg nen bissl erleichtern kann, keine Frage.
> Debian hat inzwischen einen Installer (grafisch oder nicht ist dabei
> völlig egal), welcher auch Anfängern durch die Installation hilft. Ok,
> man muss ab und an klicken, ja und. Das Ergebnis war bislang immer
> überzeugend (ich habe inzwischen diverse Debian-Installationen
> aufgesetzt). Das ist kein bischen schwieriger oder unhandlicher als
> bei Opensuse oder Ubuntu (um nir einige Beispiele zu nennen).
Auch wenn der d-i mittlerweile wirklich maßlos aufgeholt hat, so meine
ich doch ist er für absolute Neulinge noch nicht ideal.
Ob man da auf die Idee kommen könnte nen "Newbie-D-I" anzubieten, der
einfach nen bissl Hand-Halter und Poppes-Abwischer spielt und eben die
Optionen beim Installieren sehr umfassend erklärt und/oder viele
standard-Fragen einfach "prominenter" mit sinnigen Defaults vorgibt,
möglich. Patches are welcome, I guess. ;-)
> Wenn unser OP also für eine gute Sicherung seiner Daten sorgt, dann
> kann er ruhig auch Debian testing nehmen, viel falsch machen kann er
> nicht.
Ja wenn! Und wenn er weiß wie er im Zweifel das Backup zurückspielen
kann. Wenn er weiß wie und was er überhaupt sichern sollte. Wenn er im
Zweifel die Interna so gut kennt da vor keinerlei Probleme gestellt zu
werden. Wenn er die Zeit aufbringen will (oder kann) das alles im
Zweifel sofort zu lernen. Bei der Masse der "wenns" vermute ich mal nen
schlichtes "nö" beim OP. Bisher zeigte er starke Indizien erstmal mit
stable einfach besser zu fahren.
> Man muss heutzutage kein Guru mehr sein, um auch mit Debian testing
> zufriedenstellend arbeiten zu können.
Nein, muß man nicht. Aber selbst der fitteste Programmier-Guru, kann
vor nem Debian wie nen Affe vorm Schleifstein stehen. Selbst nen
Nobelpreisträger der Physik, kann im Computerbereich, oder genauer im
speziellen GNU/Linux oder noch spezieller im Debian-Umfeld ganz falsche
Vorstellungen haben, die für nen ganz grob debian-erfahrenen
Hauptschüler nur Augenrollen verursachen.
Ich behaupte sogar, man muß schon lange kein Guru mehr in irgendwas
sein um mit Debian gut zurechtzukommen. Man muß im Zweifel nur
grundlegend Bereitschaft zeigen ein wenig zu lernen, dann schafft das
fast jeder.
Ums nochmal deutlich zu machen, Expertise in einem zumindest
verwandten Umfeld, bringt im Zweifel mehr Probleme als vollkommen
unbelesen in eine neue Materie einzusteigen. Erst die Erkenntnis im
Zweifel vollkommen falsche Vorstellungen zu haben, hilft. Und der OP
zeigte starke Anzeichen, daß man gut daran tut ihm zu versuchen diese
Erkenntnis zur Not mit nem Vorschlaghammer einzuhämmern, wenns eben auf
die sanfte Tour nicht geht.
Grüße
Michael
Reply to: