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Re: [OT] Re: Wird Debian weiter existieren?



 *** Uwe Laverenz Tue, 02 Sep 2003 09:06:42 +0200 :

> 
> Das gilt sicher für über die Ladentheke verkaufte Betriebssysteme,
> aber diese machen nur einen Bruchteil der letztlich installierten
> Systeme aus. Die großen Stückzahlen laufen im OEM-Geschäft, sprich auf
> den Kisten, die Compaq, Dell, IBM usw... ausliefern. Hier weiß der
> Kunde oft gar nicht, was ihn das Betriebssystem kostet, das ist dann
> eben "mit dabei". Schlimmer: der Kunde hat oft gar keine Wahl, ob
> und welches System er will. Das ist einer der Gründe,
> weshalb sich die Windows-Seuche so verbreitet hat.

Der wahre Grund sind nicht die Händler sondern M$ ganz alleine. M$ hat
in einer Zeit, als es kein vergleichbar einfaches OS für die neuen
Personal Computers gab, die Marktlücke ausgenutzt und die Notlage der
Händler durch auf den ersten Blick und für die damaligen Verhältnisse
gute Verträge ausgenutzt. Durch die Änderung der Umstände auf dem
Massenmarkt wurden diese Verträge zu Knebelverträgen.

Zweiter Vorwurf geht an die Justiz. In der EULA von Win95 stand ganz
klar, dass jemand, der Windows nicht benutzen will, dieses gegen
Erstattung des Preises zurückgeben darf. Leider hat die deutsche
Rechtsprechung diesen Passus nicht so behandelt, wie er gedacht war.
Durch die Bündelung der Software an die Hardware - sprich
Vorinstallation - wurde das gesamte Paket als untrennbar behandelt und
dadurch diese Verweigerungschance in der EULA ausser Kraft gesetzt.

Wenn damals anders entschieden worden wäre, wie z.B. in einigen anderen
Ländern - wäre möglicherweise die Sache anders gelaufen. Stellt euch
vor, dass jeder, der Windows nicht mag, die beiliegende Lizenz gegen
Erstattung zurückgeben könnte.

Ich versuchte das damals einmal (vor der entsprechenden Rechtssache) und
bekam vom Händler gesagt, dass man das schon machen könne. Nur müsste
ich für ein System ohne Windows mehr bezahlen als mit Windows, da sie
ja die Mehrarbeit hätten, das System wieder zu
entfernen.

> Zu den Software-Patenten:
> 
> 1.: Ich halte es für eine schlimme Entwicklung, daß die Industrie und 
> Interessenverbände in Brüssel und Berlin immer mehr Einfluß auf die 
> Politiker zu haben scheinen. IMHO hat das mit Demokratie nichts mehr
> zu tun, eher mit Kleptokratie.

Das ist keine Entwicklung der letzten Jahre. Das gab es schon in der
Kaiserzeit. Nennt sich Lobbyismus nach dem Eingangsbereich des
Parlaments, in dem sich die Interessenvertreter aufhielten um ihre Opfer
zu treffen.

> 2.: Die Softwarepatente an sich sind zwar eine böse Attacke gerade
> gegen freie Software, und man muß sich sicher dagegen wehren, aber
> letztlich denke ich, daß Guido van Rossum (Python) recht hat:
[....]

Nun, ich sehe das nicht so blauäugig wie er. Das hat nichts mit
Panikmache zu tun sondern nur mit Beobachtung der amerikanischen Politik
der letzten 100 Jahre. Die amerikanische Politik und Rechtsprechung sind
in der Lage, alles, aber auch alles für die sie unterstützenden
Interessengruppen zu tun. Da die Open Source keine Gruppierung ist, die
Politiker und sonstige *wählbare* Posteninhaber in den USA unterstützt,
ist sie auch bar jeden Einflusses.

Und es gehört ja noch nicht einmal viel offizielles Recht oder Verbot
dazu, dem im Corporate Market noch recht zarten Pflanzchen Linux
nachhaltig zu schaden. Man mag es sehen, wie man will, aber als
verantwortlicher Leiter einer Unternehmen-IT-Abteilung würde ich mich
z.Zt. hüten, Investitionen in Open Source zu stecken, solange dieser
Lizenzstreit nicht beigelegt ist. Keiner dieser Manager kann es sich
leisten, langfristige Investitionen zu *riskieren*, selbst wenn jeder
Experte die rechtliche Lage als klar bezeichnen würde. Allein die
Tatsache, dass es überhaupt eine rechtliche Diskussion gibt, reicht.

Guido van Rossum begeht m.E. den Fehler, die Sachlage von der Warte des
Software-Experten zu sehen, nicht von der Warte des Entscheiders oder
des Anwaltes. 

wobo
-- 
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