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Re: Udos Netikette Neurose...



Udo Mueller schrieb:

> > Dipl.-Ing. (FH) Christoph Walther
> > T-Systems CSM GmbH
> Deine Signatur ist falsch abgetrennt und viel zu lang. Bitte, bitte
> ändere das. (http://www.debian-etikette.de.vu/). Danke dir!

Diese Signatur ist völlig unproblematisch.

Die meisten Firmen haben Signaturen, die nicht Usenet konform sind. 
Hier ist nicht Usenet! Dies ist eine Debian-Mailingliste, für die 
alleine gilt: "Verhaltet Euch wie Erwachsene" und "Kommerzielle Werbung 
nach Genehmigung (und Zahlung)".

Dein hinterwäldlerisches Guerilla-Marketing für den Computer-Service 
Müller verstösst also durchaus ernsthafter gegen die Regeln dieser 
Liste, wie jede noch so wilde Signatur. Deine Beträge scheinen mir 
vorrangig dadurch motiviert zu sein, penetrant Deine Signatur und 
Person auf den Schirm zu bringen. Der Inhalt Deiner Beiträge ist eher 
dünn, bis nichtssagend, Hauptsache, Du konntest mal wieder auf die 
Send-Taste drücken oder jemanden zurecht weisen.

Letzteres scheint sowieso Deine Hauptmotivation zu sein. Ob 72-Zeichen  
Breite, falsche Fragestellung oder ungeschicktes Quoting, kaum hat 
jemand diese Liste in der Hoffnung auf Hilfe angesteuert, besteht eine 
gute Chance von Udo angesprungen zu werden und wegen Belanglosigkeiten 
zuerst mal eine über die Rübe zu bekommen. Ich kann Dich nur ernsthaft 
auffordern, Dich mit dem dahinter stehenden psychologischen Problem 
abseits des Terminals zu beschäftigen. Diese Mailingliste kann 
dabei nicht helfen.

Dein Versuch Deine aus historischen Fragmenten und in Debian-Farbe 
gegossene, selbstgebastelte Netikette als verbindlich zu proklamieren 
verstösst meines Erachtens nicht nur gegen Debian-Policy, sondern  ist 
auch inhaltlich als eher unbrauchbar einzustufen.

Dazu nur ein paar Beispiele, die ich ausschliesslich in Bezug auf diese 
Liste kommentiere - nicht bezüglich Usenet.

72-Zeichen-Regel:

Ich gehe davon aus, dass Du zu der Zeit, als wir Sie erfunden haben, 
noch mit Playmobil gespielt hast. Sonst wäre Dir klar, woher Sie kommt. 
Fast jeder hatte nur einen Textmonitor mit 80x25 Zeichen. Alles andere 
war garantiert kein Standard. Insofern war es naheliegend, sich an der 
Masse zu orientieren.

Heute ist das Verhältnis komplett umgekehrt. Die meisten Leute 
verwenden grafische Oberflächen und Proportionalschriften. So lässt 
sich kaum mehr eine konkrete Anzahl Zeichen festschreiben. Ob man einen 
24-Zoll Bildschirm hat oder Tixus für eine lesbare Schrift hält - zu 
variabel sind die individuellen Voraussetzungen. Nur eines scheint mir 
sicher: die wenigsten haben ein ernsthaftes Problem damit, wenn mal die 
Zeilenlänge mehr als 80 Zeichen hat. Ich ziehe dann nur mein Fenster 
ein wenig auf. Dazu kann mein Mailer auch fliessenden Text selbst 
lesbar umbrechen. Ich kann mich an keine einzige Mail erinnern, wo ich 
mit der Zeilenlänge ein Problem gehabt hätte.

Die zeitgemässe Netikette würde also aufführen, wenn jemand über 72 
Zeichen meckert: "Besorge Dir einen anständigen Computer, einen 
besseren Mailer, lerne konfigurieren!"

Traffic-motivierte Regeln:

Eine grosse Zahl der Regeln historischer Netiketten kann man unter 
einem Grundgedanken zusammenfassen: die Menge der Übertragenen Daten so 
kompakt wie möglich zu halten. Man muss es einmal ganz klar sagen: 
diese Motivation gehört in die Mottenkiste der Geschichte. Wäre Traffic 
ein ernsthaftes Problem, würde man zuerst einmal konsequent 
Komprimierung verwenden. Das würde das Volumen auf ein 1/5 reduzieren. 
Vor zehn Jahren haben wir das auch durchgehend gemacht und trotzdem 
wurde man für die Übertragung selbst im Ortsbereich schnell 500DM, im 
Fernbereich nicht selten vierstellige Beträge im Monat los - auch das 
hat sich fundamental geändert.

Kaum jemand überträgt heute Mails oder News mehr per uucp oder 
komprimiert. Analog kann man auch diese ganzen Netikette-Regeln sowohl 
temporal, wie auch IT-perspektivisch dem vorherigen Jahrhundert 
zuordnen.

Es scheint mir eine der Folgen des in der Branche grassierenden 2-3 
Jahre Berufserfahrung-Wahns zu sein. Leute mit 20-30 Jahren 
IT-Erfahrung wissen, dass sich alle paar Jahre die Vorzeichen um 180 
Grad drehen können. Die ganzen Youngsters haben das noch nie erlebt. 
Vor zehn Jahren wäre beispielsweise alles andere als ein offenes 
Mail-Relay eine Fehlkonfiguration gewesen - wer heute so etwas macht 
ist ein Idiot. Viele gängige Prinzipien haben sich dramatisch geändert.

Quoting-Regeln:

Eine weitere Gruppe von Regeln steht in der Tradition von "Emily 
Postnews". Im Grunde eigentlich nur eine Liste mit ironisch 
formulierten Tipps, also das erste HowTo dazu, wie sich dieses Medium 
effektiv nutzen lässt. Diese Tipps sind hilfreich für Leute, die nicht 
wissen warum sie immer schlechte Antworten bekommen oder öfter 
angemacht werden.

Mehr ist es nie gewesen. Ein Fragment dieses Gedankens wird meistens 
immer noch per paste&copy völlig ahnunglos von denen in die Präambel 
ihrer Regelwerke übernommen, die solche Regeln gerne als Gesetze und 
sich selbst als den dazu gehörigen Sheriff sehen wollen.

Darüber hinaus liebe ich grottenschlechtes Quoting und kaputte Rhetorik.

Wenn also beispielsweise ein Benutzer das Volumen einer Signatur 
mokiert, statt in persönlicher Mail, dieses in über 1200-facher Kopie 
geschehen muss und dabei auch noch das Corpus Delicti in voller Pracht 
nochmals kopiert und somit gegen einen ganzen Sack der eigenen Regeln 
verstossen wird, dann finde ich das gut. Einfacher und schneller kann 
man seinen Gegenüber nicht in die passende Schublade einordnen.

Quoting und Rhetorik geben mir einen direkten Zugriff auf Intellekt und 
Gehirn des Schreibenden. Da helfen keine Masken. Das ist weitaus 
effektiver, als die Äusserlichkeiten und visuellen Prüfungen, auf die 
wir alltäglich im realen Leben so grossen Wert legen. Damit, welche 
Regeln Schreibende hierbei verwenden, definieren sich diese Leute 
selbst. Es ist völlig widersinnig, die Leute in ein formales Korsett 
zwängen zu wollen. Was nicht ausschliesst durch Tipps mal dem einen 
oder anderen die Augen für die Zusammenhänge zu öffnen, warum es 
beispielsweise keine Antwort, o.ä. geben kann. 

Ich trete also deutlich dafür ein, das jeder so schreiben und Quoten 
soll, wie er will. Alleine daran mache ich für mich schon fest, ob und 
welche Antwort ich geben möchte oder nicht. 

Fazit:

Diese Mailingliste ist die Anlaufstelle für Leute, die Probleme mit 
Debian haben. Es daher nicht verwunderlich, dass Mails in den 
unterschiedlichsten Formen und Aufmachungen eintrudeln, wenn das System 
abbraucht und nur noch der Zugang über den Webmailer oder das Outlook 
in der Firma möglich ist. Die Tatsache, dass es in meinen Augen 
trotzdem noch überdurchschnittlich gesittet zugeht, werte ich als Indiz 
dafür das Debian immer noch eine sehr elitäre Sache unter Experten ist.

Sollte, nach dem Release von Woody, Debian eine breitere Aufmerksamkeit 
gewinnen können gehe ich davon aus, dass es hier spürbar turbulenter 
wird. Ich kenne diese Effekt schon aus der Zeit um 1996/97, als sich 
das Internet einer breiteren (und trotzdem noch elitären) Masse öffnete 
und appeliere, dieses ganz gelassen zu sehen. Das meiste regelt sich im 
Laufe der Zeit von selbst - eine Netiquette braucht man dazu nicht.

-- 
rainer@ellinger.de


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