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Re: Devuan schneller als Debian?



Marc Haber - 03.09.18, 11:39:
> On Sun, 02 Sep 2018 14:23:55 +0200, Martin Steigerwald
> 
> <martin@lichtvoll.de> wrote:
> >Ich kenne jedenfalls keine einzige repräsentative Umfrage dazu, wie
> >viele Menschen Debian, wie viele Devuan einsetzen und… wie viele
> >Systemverwalter usw. Systemd ablehnen und trotzdem bei Debian
> >geblieben sind. Kennst Du eine?
> 
> Ich habe nie eine Statistik gesehen, in der Devuan überhaupt
> aufgetaucht ist. Das ist also entweder eine Verschwörung, dass alle
> Leute, die Distributions-Statistiken erstellen, Devuan trotz seines
> riesengroßen Marktanteil ignorieren, oder die Verbreitung von Devuan
> bewegt sich in der Tat in der Größenordnung des Grundrauschens.
> 
> Der geneigte Leser mag raten, zu welcher dieser Interpretationen ich
> tendiere.

Naja, bei distrowatch.com ist Devuan immerhin auf Platz 37, noch vor Red 
Hat. Aber wie distrowatch.com zu den Zahlen kommt und wie seriös das 
ist, habe ich mir nie näher angeschaut. Die entsprechende Tabelle ist 
mit "Ranking der Seitenaufrufe" überschrieben. Und "*H.P.D = Treffer pro 
Tag" angegeben (wahrscheinlich Hits Per Day).

Gar so weit auseinander liegen Debian und Devuan da nicht.

6: Debian, 1202, Tendenz absteigend

37: Devuan, 259, Tendenz gleichbleibend

Naja, jetzt habe ich wahrscheinlich gerade zu einem Hit für Debian 
beigetragen. Sonderlich aussagekräftig ist das nicht, da 
unterschiedliche Anteile der Benutzer verschiedener Distribution 
einigermaßen regelmäßig distrowatch.com aufrufen.

> >Bezüglich einer neutralen und fairen Betrachtung des Themas: Hast Du
> >*je* *irgendwo* eine solche gesehen? Ich nicht. Entweder es war pro
> >Systemd oder gegen Systemd… allenfalls gab es in der damaligen
> >Diskussion in Debian einige, die sich um Neutralität zumindest bemüht
> >haben. Und vielleicht auch an anderen Stellen. Aber eine neutraler
> >Vergleich in irgendetwas, das eine gewisse Reichweite bezüglich der
> >Leserschaft hat? Ich hab da nichts zu gesehen.
> 
> Vorher möchte ich gerne mal fragen, ob Du mich als Systemd-Freund oder
> Systemd-Feind wahrnimmst.

Eher als Systemd-kritisch, ich hab einige Deiner Rants hier noch in 
vager Erinnerung. Insgesamt jedoch weder einseitig als Systemd-Freund 
oder Systemd-Feind.

Relativ ähnlich wie mich: Ich sehe viele gute Ideen in Systemd, aber es 
gibt auch eine ganze Reihe von Dingen, die mir nicht gefallen. Die 
meisten davon haben mit dem Verhalten einiger Upstream-Entwickler zu 
tun. Einige davon sind technischer Natur. Ich denke, es macht wenig 
Sinn, die oft ausgetauschten Argumente zu recyclen.
 
> >> Ubuntu hat Debian wehgetan und tut es jeden Tag weiter. Devuan tut
> >> das nicht.
> >
> >Vielleicht, nur vielleicht haben Devuan-Initiatoren getan, was sie
> >getan haben, ohne die Absicht gehabt zu haben, Debian-Projekt zu
> >schaden. Schon mal an diese Möglichkeit gedacht? Insbesondere, da es
> >durchaus ein gewisser Aufwand war, die erforderliche Infrastruktur
> >für einen Distro- Fork auf die Beine zu stellen. Vielleicht… haben
> >auch die Ubuntu- Initiatoren keine solche Absicht gehabt.
> 
> Ich finde es bemerkenswert, dass Devuan überhaupt ein erstes Release
> aus der Tür bekommen hat, wenn es auch bezeichnend ist, dass das auf
> Debian stretch basierend zweite Devuan-Release just in der Woche
> released wurde, wo mir das erste Seufzen darüber entfahren ist, dass
> die Arbeit mit der inzwischen wirklich gut abgehangenen Software in
> Debian stretch so langsam echt lästig wird.

Nuja, hast Du auf Deinen Servern was Neueres als Debian Stretch laufen? 
Für den Desktop würde ich das wie bei Debian halten und mit Devuan Ceres 
gehen. Das ist deren Unstable-Entsprechung.

https://devuan.org/os/releases

> Wie eine ausreichend über Personpower verfügende Distribution, die für
> den professionellen Einsatz taugt, sieht mir das jedenfalls nicht
> aus. Ich hätte es lieber gesehen, wenn die Kraft, die in eine
> offensichtliche Totgeburt gesteckt wird, in Debian landen würde, und
> zwar in der Kerninfrastruktur wie z.B. in dpkg.

Ich sehe ein wenig anders.

1. Basiert Devuan im wesentlichen auf Debian. Der eigene Paketspiegel 
fügt das Debian-Archiv mit eigenen Anpassungen auf eine mir noch nicht 
so ganz klare "automagische" Weise zusammen. D.h. die Devuan-Leute 
stemmen nicht den Aufwand für eine komplett neue Distribution, sondern 
greifen im Wesentlichen auf Debian zurück. Und Debian taugt ja für den 
professionellen Einsatz, oder nicht?

2. Arbeiten die Entwickler im Wesentlichen nach dem gleichen 
Entwicklungsmodell mit stable, testing und unstable.

3. Sehe ich, dass die Devuan-Entwickler eben keine Möglichkeit sahen, 
innerhalb von Debian ihre Idee von Wahlfreiheit in Bezug auf das Init-
System umzusetzen. Ich sehe nicht, wie Devuan-Entwickler ihr Anliegen 
auf eine wesentlich andere Weise hätten umsetzen können.
 
> >Wer Wahlfreiheit in Bezug auf das Init-System umsetzen möchte, hat
> >derzeit innerhalb des Debian-Projektes meines Erachtens allenfalls
> >sehr eingeschränkte Möglichkeiten dazu. Zumindest ohne erneut die
> >Diskussion anzufachen, die, soweit ich das sehe, viele lieber
> >"ruhen" lassen möchten.
> 
> Die völlige, gleichwertige Wahlfreiheit in Bezug auf das Init-System
> ist IMO eine Illusion. Das ist nicht leistbar, eine Distribution wird
> sich bei einer so zentralen Komponente wie das initsystems immer auf
> ein "primäres" festlegen müssen, und die anderen werden immer unter
> "ferner liefen" mitlaufen und nur "mehr schlecht als recht"
> unterstützt werden. Bei einer nichtkommerziellen Distribution wird das
> aus Zeitmangel so geschenen, bei einer kommerziellen Distribution aus
> kommerziellen Gesichtspunkten.

Gleichwertige Wahlfreiheit hast Du auch mit dem Linux Kernel in Bezug 
auf unterschiedliche Architekturen nicht. Ist das jedoch ein Grund auf 
die Unterstützung von ARM / ARM64, PowerPC, Sparc, MIPS oder auch RISC-V 
oder gar m68k im Linux Kernel zu verzichten? Oder auch auf die 
Unterstützung unterschiedlicher Architekturen in Debian?

Ich argumentiere: Solange es Nutzer für ein Init-System gibt, die auch 
zu einer Distribution als Paketbetreuer beitragen, kann es auch 
Unterstützung für das System geben.

Nochmal, mit einer prinzipiellen Wahlfreiheit in Bezug auf das Init-
System hätten die Devuan-Leute evtl. nicht mal Devuan gegründet und all 
den Aufwand auf sich genommen, die dazu erforderliche Infrastruktur aus 
dem Boden zu stampfen, sondern einfach in Debian mitgearbeitet.

Ich denke jedoch, dass Systemd in der Art, wie es aufgebaut ist, es sehr 
schwer macht, eine prinzipielle Wahlfreiheit in Bezug auf das Init-
System zu gewährleisten. Und dafür kann Debian nicht mal was.

> Selbst Devuan gibt Dir diese Wahlfreiheit nicht, wenn Du einen Teil
> Deiner Systeme trotz eine Abneigung gegen systemd gerne mit systemd
> haben möchtest und dennoch nur eine Distribution im Stall magst, bist
> Du bei Devuan viel fälscher als im umgekehrten Fall bei Debian.

Da ist aber der Aufbau von Systemd mitverantwortlich für. Entweder linkt 
ein Paket halt gegen libsystemd oder es tut es nicht. Und sonderlich 
modular ist das mit den Systemd-Bibliotheken ja nicht gerade:

% find /lib /usr/lib -name "*systemd*.so"
/lib/systemd/libsystemd-shared-239.so
/lib/x86_64-linux-gnu/security/pam_systemd.so
/usr/lib/pulse-12.0/modules/module-systemd-login.so
/usr/lib/x86_64-linux-gnu/qt5/plugins/kcm_systemd.so
/usr/lib/x86_64-linux-gnu/rpm-plugins/systemd_inhibit.so
/usr/lib/x86_64-linux-gnu/weston/systemd-notify.so

Entweder Du linkst das folgende Drum oder Du tust es nicht:

% ls -lh /lib/systemd/libsystemd-shared-239.so
-rw-r--r-- 1 root root 2,5M Jul 22 13:40 /lib/systemd/libsystemd-
shared-239.so

Das Ding ist sogar noch größer wie das Systemd-Binary:

% ls -lh /lib/systemd/systemd
-rwxr-xr-x 1 root root 1,4M Jul 22 13:40 /lib/systemd/systemd

systemd 239-7.

Und so lange es bei Debian/Devuan als Binär-Paket-Distribution keine 
sinnvolle Möglichkeit gibt, Pakete mit / ohne Linking gegen die 
Bibliothek anzubieten, ohne mit unterschiedlichen Paket-Namen zu 
hantieren, sehe ich da durchaus ein, dass Devuan-Entwickler da 
pragmatisch argumentieren: Nimm halt Debian, falls Du Systemd 
verwendest. Sehe ich auch nicht wirklich ein Problem mit. Da Devuan ja 
weitgehend identisch ist mit Debian. D.h. Debian bietet die Wahlfreiheit 
für Systemd, während Devuan sie für andere Init-Systeme komplettiert.

Im Grunde verstehe ich damit sowohl Debian´s als auch Devuan´s Haltung. 
Für Debian wäre es immens aufwendig, Pakete anzubieten, die nicht gegen 
libsystemd0 gelinkt sind. Und Devuan-Entwickler möchten aber genau das 
tun.

Kleines "Finde den Unterschied"-Beispiel dazu:

util-linux in Devuan Ascii:

Pre-Depends: libblkid1 (>= 2.25), libc6 (>= 2.14), libeudev1, libfdisk1 
(>= 2.29~rc2), libmount1 (>= 2.25), libncursesw5 (>= 6), libpam0g (>= 
0.99.7.1), libselinux1 (>= 2.6-3~), libsmartcols1 (>= 2.28~rc1), 
libtinfo5 (>= 6), libuuid1 (>= 2.16), zlib1g (>= 1:1.1.4)

util-linux in Debian Stretch:

Pre-Depends: libblkid1 (>= 2.25), libc6 (>= 2.15), libfdisk1 (>= 
2.29~rc2), libmount1 (>= 2.25), libncursesw5 (>= 6), libpam0g (>= 
0.99.7.1), libselinux1 (>= 2.6-3~), libsmartcols1 (>= 2.28~rc1), 
libsystemd0, libtinfo5 (>= 6), libudev1 (>= 183), libuuid1 (>= 2.16), 
zlib1g (>= 1:1.1.4)

Und jaja, ich weiß um das Argument einiger Systemd-Entwickler: 
libsystemd mache ja nicht viel, falls Systemd nicht installiert ist…
 
> Einen Debian-Server ohne grafische Oberfläche kann man heute noch
> vermutlich ohne größere Schmerzen mit sysvinit betreiben. Andersrum
> geht das nicht.

Soweit ich das in der Devuan-Mailingliste dng-ml sehe geht das sehr 
wohl.

Für XFCE z.B. Aber soweit ich las auch für Plasma. Selbst GNOME dürfte 
prinzipiell anpassbar sein, denn das läuft ja meines Wissens bis heute 
auch auf FreeBSD noch, wo es keinen Systemd gibt. Die FreeBSD-Entwickler 
haben halt das Systemd-Logind-Dingens nach gebaut bzw. aus Systemd 
herausgelöst. Was genau weiß ich gerade nicht mehr.

Ich zögere halt noch, weil ich Plasma unter Devuan erstmal testen 
möchte, bevor ich auf meinem Laptop wechsele. Zumal, und das kann schon 
eine Einschränkung für Laptop-Anwender sein, dann wohl nichts mehr mit 
Network Manager ist. Und Wicd oder Intel Connection Manager 
möglicherweise als Ersatz zu viele Einschränkungen mit sich bringen.

> Im Jahr 2018 gegen systemd zu kämpfen ist - leider - im Wesentlichen
> die Vernichtung wertvoller Zeit, die an beliebiger anderer Stelle im
> Universum der Freien Software besser investiert wäre.

Deine Einschätzung.

Andere Menschen dürfen anderer Ansicht sein und bei Devuan entwickeln 
oder es zumindest auf einigen System nutzen und in Debian-Paketen zu 
berücksichtigen, wie ich das in meinem fio-Paket gemacht habe.

Angesichts der derzeitigen Entwicklungen könnte jemand auch in Bezug auf 
die Schäden, die Menschen ihrer Mitwelt zufügen, der Ansicht sein, 
dagegen zu kämpfen, sei "im Wesentlichen die Vernichtung wertvoller 
Zeit". Ich sehe es durchaus als wichtig an, für den Erhalt unserer Welt 
aktiv zu sein. Ich sehe aber, dass einige Devuan-Entwickler im Rahmen 
der Dyne.org Stiftung ohnehin beides machen¹.

So oder so: Jeder Mensch entscheidet selbst über die Verwendung der 
eigenen Lebenszeit und ich habe da einen hohen Respekt dafür.

So ließe sich ja auch argumentieren, dass Du die Zeit, die Du dafür 
aufgewendet hast, den Einsatz für andere Init-Systeme als verschwendete 
Zeit darzustellen, auch nicht sonderlich sinnvoll eingesetzt hast. Denn:

1. Wer vom Devuan-Projekt liest hier mit?

2. Und selbst wenn, wer vom Devuan-Projekt würde nach Deiner 
Argumentation sein oder ihr Verhalten ändern?

Gleiches gilt natürlich für meine Antwort an Dich. Im Grunde haben wir 
gerade beide Zeit verschwendet.

Menschen, uns beide eingeschlossen, verwenden offenbar nicht immer die 
eigene Lebenszeit so effizient, wie Du es möglicherweise möchtest.

[1] https://www.dyne.org/

Ciao,
-- 
Martin



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