Re: Wer benutzt GNUSTEP und hat Erfahrungswerte?
On Wednesday 02 June 2004 15:31, Joerg Desch wrote:
> On Mon, 31 May 2004 12:11:08 +0200, Tilo Schwarz wrote:
> > Das letzte Mal (ist schon ein Weilchen her), als ich es ausprobiert
> > habe, war es zwar ganz nett, reichte aber bei weitem nicht daran,
> > was ich von NeXTStep gewohnt war.
>
> Was fehlt Dir noch. Oder andersrum, woram macht Du Deine Aussage
> fest?
Naja, das letzt Mal (ist wiegesagt schon ein Weilchen her),
funktionierte einiges im (für mich wichtigen) File Viewer noch nicht
(z.B. das Shelf klappte noch nicht so recht, Drag & Drop ging nicht
vollständig, einige typischen Menübefehle waren noch nicht
implementiert). Da bin ich momentan schneller, wenn ich mc verwende.
> > Da NeXTStep als Desktop/GUI für meinen
> > Geschmack das Beste ist, mit dem ich bisher gearbeitet habe
>
> Ich habe es bei NeXT bei seiner Einführung aus der CeBIT gesehen.
> Aber das gilt schon garnicht mehr. ;-)
>
> > [...] würde ich sofort umsteigen, wenn GNUSTEP alltagstauglich ist.
> > Momentan benutze ich Windowmaker
>
> Ich auch. Aber das ist ja nach weniger als GNUSTEP. Was fehlt Dir?
> Warum verzichtest Du auf den bisherig umgestezen Stand von GNUSTEP
> und arbeitest nur mit WindowMaker?
Um richtig "umzusteigen" waren für mich auch noch keine interessangten
Applikationen da, die nur unter GNUSTEP laufen. Der Witz des NeXT GUI
war vor allem das Zusammenspiel verschiedener Applikationen per Drag &
Drop, Clipboard, Services (s.u.) etc. KMail unter GNUSTEP laufen zu
lassen, bringt einfach kaum Mehrwert...
> > (die beiden großen Desktops - KDE/Gnome - sind mir einfach zu
> > windowisch).
>
> Genau. Allein schon der Explorer...
Wohl war. Ich hoffe immer noch, daß sich mal jemand erbarmt und den NeXT
File Viewer per Qt nach Linux bringt (oder ich versuche es mal, wenn
ich mehr Zeit hab). Ich hab mir mal das Programm FSViewer.app
angesehen, hatte aber für den echten Einsatz noch ein paar Hürden zu
viel. Den NeXT File Viewer findet man ja jetzt in OS X wieder -
wirklich sehr schick.
> >> Hat GNUSTEP etwas vergleichbares zu einen Softwarebus wie DBUS von
> >> freedesktop.org (bei KDE heißt es noch DCOP)? Oder hat es das aus
> >> irgendwelchen Gründen nicht nötig?
> >
> > Weiß ich nicht. Vielleicht (hoffentlich!) implementieren sie das
> > Services-Konzept von NeXT.
>
> Wie gesagt, ich kenne weder NeXTstep noch GNUSTEP. Was muß man sich
> unter dem "Services-Konzept von NeXT" vorstellen?
Jede Applikation (Programm) konnte bei NeXT dem Betriebssystem
mitteilen, welche Daten(typen) es als Input akzeptiert und mit welchem
Outputtyp es auf einen solchen Input antwortet. Typische Datentypen
waren z.B.
- Text
- Bilder (in allen möglichen Formaten)
- Postscript
- Audio
- Pfadnamen
- etc.
Das Clipboard (so a la X-Clipboard) konnte alle diese Datentypen
aufnehmen und wußte auch, welcher Datentyp gerade gespeichert ist.
Damit war z.B. folgendes möglich:
Wenn die Applikation Calc.app installiert war, bot sie den Service
"Berechnen" an. Man konnte dann in irgendeiner (!) NeXT-Applikation
z.B. den Text "(3+4)*sqrt(7)-sin(1)" selektieren, im (globalen und
daher immer aktiven) Service Menü "Calc->Berechnen" wählen, und die
Selektion wurde durch 17.678 ersetzt.
Man brauchte also nicht manuell
- Calc.app zu starten
- den Text (3+4)*sqrt(7)-sin(1) in Calc.app zu pasten
- ENTER für die Berechnung zu drücken
- das Ergebnis zu selektieren und ins Clipboard aufzunehmen
- das Ergebnis aus dem Clipboard in den Text zu pasten
Diese Services konnte man sich auf globale Tastenshortcuts legen (z.B.
Command+B).
Anderes Beispiel: In irgendeiner Applikation steht ein unbekanntes
englisches Wort, was ich nachschlagen wollte. Lösung: Doppelklick auf's
Wort und Command+W drücken -> der Digital Webster geht auf mit dem
nachgeschlagenen selektierten Wort. Dieses Vorgehen spart jede Menge
Tastendrücke und Mausklicks bei oft wiederkehrenden Aufgaben.
Zudem war die unterliegende Graphiksprache Postscript. Man konnte z.B.
in einer Applikation eine Vektorgraphik und die dazugehörende
Bildunterschrift mit der Maus selektieren, dann Command+M drücken (war
bei mir der Service "Mail->Send"), und schwupp ging eine neue Mail auf
mit der Selektion als Inhalt. Diesen Inhalt konnte der Empfänger auf
einem PS-fähigen Drucker rauslassen, wobei der Ausdruck nicht
"verpixelt" war, sondern die volle Druckerauflösung nutzte, da ja die
zu Grunde liegenden Graphikprimitive + Fonts Postscript waren (und
damit unabhänig von meiner gerade eingestellten Bildschirmauflösung).
Nach dem NeXT dann nicht mehr unterstützt wurde, sind wir auf Linux + X
umgestiegen. Nachdem Linux unbestreibar auch Vorteile hat, mußten wir
erst einmal lernen, daß es sowas wie Fontprobleme überhaupt geben kann
("Meine Schrift sieht pixelig aus", "In Applikation A ist die Schrift
normal, in Applikation B aber nicht" etc...). Oder daß man sich als
Entwickler darüber Gedanken machen muß, wie man den Inhalt eines
Widgets in hoher Auflösung auf den Drucker bekommt. Unter NeXT hatte
jedes Widget eine print()-Methode, die machte das globale Print-Panel
auf und fertig. Postscript sei Dank kam der Ausdruck dann nicht in der
Bildschirmauflösung sondern der Druckerauflösung heraus.
Wir haben bei uns immer noch eine NeXT-Kiste laufen, auf der wir
Programme laufen haben, für die wir noch keinen Ersatz auf Linux
gefunden haben. (Z.B. einen Postscript Editor, falls ja jemand ein
Linux Tool kennt ...)
Na denn, alles Gute,
Tilo
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