Skolelinux - Erfahrungsbericht eines Linuxlaien (DAU-Alarm)
Hallo,
nach langer Zeit melde ich mich wieder einmal und ich will euch heute
über meine Erfahrungen mit Skolelinux berichten:
Wie einige sich vielleicht erinnern werden, habe ich einen Kombiserver
(Haupt- und Terminalserver auf einem Gerät) aufgesetzt, der - so war
zumindest meine "Vision" - einen PC-Raum mit am Ende 22 Thin-Clients
versorgen sollte und auch für die Verwaltung mit ihren drei
Windows-XP-Rechnern sowie 3 Laptopklassen als Domain- bzw. Fileserver
dienen sollte.
Da ich aber alles andere als ein Linuxprofi bin, haben sich da doch
einige Probleme bei der Installation und Konfiguration sowie in der
Praxis ergeben, die ich im Folgenden (ich versuche mich kurz zu fassen)
schildern möchte, damit dieses Feedback vielleicht bei der weiteren
Entwicklung oder in der Dokumentation/ im Wiki berücksichtigt wird und
anderen den Einstieg erleichtert wird.
- Die Installation selber ist eigentlich kein Problem, wenn man sich
100% an das Handbuch hält. Ich hatte bei den ersten beiden
Installationsversuchen nur ein Problem mit den beiden in den Server
eingebauten Netzwerkkarten, die ich grundsätzlich vertauscht habe - also
die an den internen Switch angeschlossene Karte für die Verbindung nach
draußen nutzen wollte, was natürlich nicht ging. Beim dritten
Installationsversuch habe ich das Problem aber dann umgangen, indem ich
für die Installation des Servers eine Netzwerkkarte eingebaut habe und
die zweite Karte erst nach Abschluss der Installation dazugebastelt
habe. Leider hat mich dieses Problem aber doch einen kompletten Tag
gekostet und es wäre sicher eleganter zu lösen gewesen (z.B. durch
Umstecken der Kabel *gg*).
- Dadurch, dass für diesen Tag kein DHCP verfügbar war (dem Router
musste ich ja DHCP verbieten, der Server bot es noch nicht an, da er
noch nicht funktionierte), gab es doch einigen Tumult in den
Laptopklassen und in der Verwaltung ("Hey Admin, mein Internet geht
nicht!" - "Jopp, das Internet habe ich eben gelöscht, das muss ich erst
neu installieren" ;-) ) Ich kann also nur davon abraten, eine
Erstinstallation im laufenden Betrieb vorzunehmen. Eine abgeschlossene
Testumgebung ist da Gold wert.
- Letztlich lief der Server dann aber und nun ging es daran, die
Benutzerkonten anzulegen. Klasse, dass man eine .csv-Datei in LDAP
importieren kann. So musste ich nur noch die Benutzerdaten entsprechend
vorbereiten. Hier habe ich aber den Fehler gemacht, dass ich gleich alle
350 Schüler eingelesen habe und nicht mit 2-3 Testaccounts erst einmal
die richtige Formatierung der Datei überprüft habe. Auch habe ich die
Gruppen (Klassen), denen die Benutzer zugeordnet werden sollten, zwar in
der .csv angegeben, diese Gruppen aber nicht vorher angelegt. Nach ein
paar Versuchen habe ich dann das richtige Format gefunden, die
Gruppenzuordnung klappte auch und nun hatte ich über 2000
Benutzerkonten, die vorgesehenen Benutzernamen stimmten nicht mehr und
die Passwörter waren auch nicht so vergeben wie gewünscht. Ich bin in
solchen Fällen ehr der radikale Typ, ehe ich hier also an mehreren
Stellen die Benutzerdaten suchte und löschte, habe ich den Server ein
weiteres Mal neu installiert und nun hatte ich die Benutzer auch korrekt
in den Gruppen, man konnte sich auch am Server mit den User-Accounts
anmelden. Also alles Klasse, ein Testsystem hätte auch hier viel Zeit
und Nerven gespart.
- Nun ging es daran, die Thin-Clients einzubinden. Das hat auch sehr
einfach geklappt, bei einigen Maschinen musste ich die Netzwerkkarten
austauschen, die nicht PXE-fähig waren. Das ging aber schnell, ich hatte
Hilfe von ein paar sehr engagierten Schülern der 7ten Klasse (die nur
manchmal meine Denkprozesse gestört haben, naja an hyperaktive
Jugendliche gewöhnt man sich ja mit der Zeit).
- An diesem Punkt war ich richtig glücklich und wollte schon eine Hymne
auf Skolelinux schreiben. Und dann kam doch tatsächlich ein Lehrer an
und behauptete, man müsse drucken können, wenn man am Computer
irgendetwas erarbeitet hat. So ein *zensiert*.... Also gut, Drucker raus
gekramt und per USB-Kabel an den Server angeschlossen. Und nix passiert,
kein Popup "Neue Hardware erkannt, installiere Treiber" oder so. Und der
Drucker tauchte auch sonst nirgendwo auf. Also rein in CUBS, ein wenig
durch die Menüs geklickt, in der Doku geschmökert und dann frustriert
Feierabend gemacht. Warum zur Hölle ist es so elendig kompliziert, einen
simplen USB-Drucker zu integrieren und für alle Benutzer freizugeben?
Drucken ist bis heute nicht möglich - ab morgen vielleicht, mal schauen.
- Von einer Konfiguration des Proxys habe ich dann Abstand genommen, da
fehlt mir ein benutzerfreundliches Frontend und die Klassen sollten auch
so schnell wie möglich den Raum in Betrieb nehmen, noch eine Woche
Verzögerung für die Konfiguration des squid war einfach nicht mehr drin,
immerhin musste ich zwei mal Klassen aus dem Raum unter Androhung
körperlicher Sanktionen vertreiben, die schon an den Rechnern arbeiten
wollten.
- Dann kam der große Tag, wir (also meine drei "Assistenten" und ich)
hatten ja nun die Thin-Clients zuvor schon mal angeschaltet und uns auch
an allen Geräten angemeldet, gleichzeitig und sogar mal ein wenig
rumgespielt mit verschiedenen Programmen. Die Lernsoftware ist ja
teilweise wirklich gut, finde ich. Ok, aber an diesem Donnerstag nach
den Osterferien sollte der Raum mal im Betrieb getestet werden, also
eine 9te Klasse geschnappt, ein paar einführende Worte zum Thema
Benutzeranmeldung und Anwendungen in Linux gesprochen und die Jungs und
Mädels dann einfach machen lassen. Sollten sie das neue System auf
eigene Faust erforschen. Einige haben einfach nur gesurft, einige
trieben sich in SchülerVZ rum, ein paar haben verschiedene Spiele
gespielt (online und auch in Skolelinux vorhandene), ein paar haben mit
OpenOffice Briefe geschrieben und ein paar haben Mails geschrieben. Also
22 Schüler, 22 Clients, 22 verschiedene Anwendungen. Und was soll ich
sagen... naja das System war lahm, schneckenhaft langsam, ein Druck auf
eine Taste bewirkte nach etwa 2 Sekunden die Ausgabe eines Buchstabens
auf dem Monitor, die Maus war nicht mehr zu gebrauchen. Der anwesende
Lehrer und ich schauten uns an, er mit gerunzelter Stirn, ich rot vor
Verlegenheit und dann brachen wir das Experiment ab, alle Schüler
beendeten die gestarteten Programme und sie bekamen alle eine Aufgabe in
OpenOffice eine Tabelle zu bauen. Nun wurde es wieder etwas schneller,
als alle die gleiche Anwendung benutzten.
Der Lehrer hat dann mit anderen Gruppen noch drei Doppelstunden in dem
Raum verbracht und versucht, einen EDV-Unterricht abzuhalten. Seine
Leidensfähigkeit ist bewundernswert, ich habe mir keine weiter Stunde
dort angetan, es war mir einfach zu peinlich, dass dieses von mir so
angepriesene System nicht richtig lief.
Mein Fazit:
a) Skolelinux ist ein faszinierendes Projekt und von der Idee her auf
alle Fälle unterstützenswert. In der von mir angedachten Form ist es
aber noch nicht praxistauglich und die ganze Konfiguration erfordert zu
viel Fachwissen, sorry wenn ich es so sage, aber Windows ist da
intuitiver bedienbar - obwohl auch da die Konfiguration eines Servers
nicht trivial ist. Die nächsten Entwicklungen sollten meiner Meinung
nach in die Richtung gehen, dass auch reine (Windows-)Anwender zumindest
eine Installation hinbekommen. In der Dokumentation sollte idealerweise
Null Linuxwissen vorausgesetzt werden und alles Schritt für Schritt
erklärt werden.
b) Sind 4 GB RAM für einen Kombiserver wirklich zu wenig? Den
Ausführungen der Dokumentation folgend eigentlich nicht, die Performance
ließ aber stark zu wünschen übrig und hier ist noch viel Raum für
Verbesserungen.
c) Die Verwaltung der einzelnen Funktionen ist mir zu umständlich. Ich
habe bei einem Kumpel, der einen Debian-Server mit 3 XP-Clients zuhause
betreibt, gesehen, wie gut webmin funktioniert. Alle Funktionen und
Konfigurationen in eins, die Konsole benutzt er fast überhaupt nicht
(nur für Installationen manchmal). Ich mag die Kommandozeile nun einmal
nicht, auch in Windows benutze ich cmd nur in Verbindung mit ping und
sonst überhaupt nicht.
d) Neulinge sollten immer wieder und mit Nachdruck darauf hingewiesen
werden, wie hilfreich ein Testsystem ist. Unabhängig und ohne den
laufenden Betrieb zu beeinträchtigen den Server einzurichten und sich
einfach so viel Zeit zu lassen, bis ALLES funktioniert wie gedacht ist
sehr nervenschonend. Ich hasse mittlerweile "Deadlines" und auf die
Frage "Wann ist es denn fertig, wann können wir denn endlich damit
arbeiten?" sage ich nur noch "It's done when it's done - Duke Nukem
Forever!"
Ich werde morgen nun den Server abklemmen, dem Router wieder DHCP
erlauben und auf den Clients openSUSE installieren. Am nächsten
Wochenende wird dann mein PC-Labor in der Hauptschule eingerichtet. Dann
schnappe ich mir den Server und 3 alte Rechner und werde verschiedene
Möglichkeiten installieren, konfigurieren und testen. Skolelinux werde
ich aber auf alle Fälle weiter beobachten und immer mal wieder
ausprobieren. Und in den Sommerferien werde ich einen neuen Schulserver
einrichten, der als Domaincontroler mit Roaming Profiles, Proxy
(Jugendschutz) und Fileserver arbeiten soll. Arktur, Debian, openSUSE
und auch Skolelinux stehen zur Auswahl. Alle werde ich testweise
installieren und versuchen, die Clients dort entsprechend einzubinden.
Ergebnis offen, ich bin gespannt.
Soweit also der heutige Roman zum Wochenende, ich wünsche allen ein
schönes selbiges.
Beste Grüße,
Jürgen.
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