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Testing und Unstable nutzen, oder auch nicht (war: Re: Ernstes Problem beim Booten)



Hallo Volker,

Am Mittwoch, 2. September 2015, 19:26:47 schrieb Volker Wysk:
> Am Dienstag, den 01.09.2015, 09:50 +0200 schrieb Christian Knoke:
> > Was ist denn vor kurzem passiert? Was hast du verändert? grub,
> > initrd,
> > kernel, upgrade, systemd, ...
> 
> Mehr als ich nachvollziehen kann. Mein System ist durch mehrere Updates
> /Installationen kaputt gegangen, und ich mußte alles neu installieren.
> Das ist jetzt wieder kaputt gegangen... Ich bin auf Testing, und ein
> aptitude bzw. apt-get dist-upgrade will wieder eine Menge gebrauchte
> Sachen löschen.
> 
> Dann gibt es die Probleme mit KDE 5... Ich bin jetzt erstmal auf Gnome
> 3 umgestiegen (was auch nicht schlecht ist).
> 
> Ich spiele jetzt mit dem Gedanken, Debian den Rücken zu kehren und
> auf (K)Ubuntu umzusteigen... Ich glaube nicht, daß mein jetziges Debian
> -System noch zu retten ist... wieder eine Neuinstallation fällig
> (Debian oder Kubuntu).
> 
> Danke für die Nachfrage.

Also ich finde, dass die Begriffe "testing" und den Begriff "unstable" eine 
sehr klare Sprache sprechen.

Dennoch denke ich, dass mir noch *nie* ein Testing/Unstable-System so kaputt 
gegangen ist, dass ich es nicht mehr reparieren kann. Das kommt auch gar nicht 
in Frage, weil ich nicht einsehe, ein einmal installiertes Debian-System 
jemals neu zu installieren, solange ich es gut gepflegt habe.

Allerdings gehört die G++ 5 ABI-Transition zu einer der heftigsten 
Transitionen, die ich je erlebt habe. Während derer kam es bereits zwei oder 
drei Mal vor, dass der Plasma-Desktop einfach gar nicht mehr startete. *Ohne* 
Fehlermeldung auf der grafischen Ansicht. Einmal sogar ohne Fehlermeldung in 
*jeglichen* Protokollen, die ich probiert habe (hint: kwin crashte).

Doch sehe ich an der Flut an Bugreports zu Plasma/KDE in Testing und Sid, wie 
viele Benutzer auf Testing oder gar Unstable nutzen, und dann erwarten, dass 
diese Versionen von Debian bitte immer jederzeit stabil und fehlerfrei sind. 
Sie verursachen mit vielen Bugreports, die teilweise Tage später bereits 
wieder behoben sind, immensen Mehraufwand für die Entwickler. Das gesagt mögen 
eine Bugreports Sinn machen, um Pakete aus testing fern zu halten, aber mit 
etwas Verständnis lässt sich das oft vorher ganz gut einschätzen.

Ja, das gibt es sogar als Idee, "always releaseable testing" glaub war das 
Stichwort dazu, Art und auch eine Reihe andere Ideen wie die neuen Debian PPAs 
für die Entwicklung von Transitionen nutzen, dazu, doch derzeit ist das alles 
noch nicht umgesetzt.

Daher empfehle ich für Einsteiger mit Debian folgende Reihenfolge:

1) Debian Stable nutzen. Einlesen, kennenlernen.

2) Debian Testing erst gegen Ende des Entwicklungszyklusses einsetzen, wenn 
die großen Transitionen durch sind.

3) Debian Testing einsetzen.

4) Für die Mutigen und die, die sich ganz klar selbst helfen können, Sid 
einsetzen.

Wichtig ist dabei sich zunehmend mit dem Möglichkeiten der Paketverwaltung und 
der Debian-Infrastruktur auseinanderzusetzen (bugs.debian.org/paketname oder 
Bugnummer, apt-listbugs, apt-listchanges, englischsprachige Mailinglisten etwa 
zu KDE in Debian, IRC-Kanäle, snapshorts.debian.org und apt rauf und runter …) 
und realistisch die eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten einzusetzen.

Außerdem ist wichtig, den jeweils nächsten Schritt nur zu machen, wenn mir 
vollkommen klar ist, dass das System temporär (!) zerbröseln kann. Ist es mir 
das wert? Brauche ich testing oder unstable wirklich so dringend? Oder reichen 
mir die stabilen Versionen aus?

Daher würde ich, was ich derzeit mache, ein Sid zu einem so frühen Zeitpunkt 
auf einem Produktiv-Laptop (und einem weiteren und einer Produktiv-
Workstation) einzusetzen, nur denjenigen empfehlen, die sich extrem gut 
auskennen und bereit sind, aufkommende Probleme selbst zu beheben, Bugreports 
zu durchwühlen, fundiert im IRC nachzufragen, Protokolle zu lösen usw. usf.

Zusätzlich dazu empfehle ich für solche Szenarios immer einen Zweit-Desktop 
installiert zu haben. Derzeit verwende ich dafür das minimale lxde. Das kam 
bislang noch immer hoch. Ich hab noch nicht probiert, wie vollständig lxqt in 
Debian ist, aber das wäre ja auch von der G++ ABI Transition betroffen 
gewesen. In diesem Fall kann es also sinnvoll sein, einen Desktop zu wählen, 
der in C statt C++ programiert ist. Und wenn ich mehr als ein System habe, 
erstmal auf einem davon die Aktualisierung ausprobieren. Oder in einer VM. So 
Dinge halt.

Und falls Dir das alles nicht gefällt, na, dann schaue Dich bei einer anderen 
Distro um, ob Deinen Bedürfnissen entspricht *oder* hilf mit, die Situation 
bei Debian zu verbessern. Es ist wirklich so einfach.

Das Argument mit den Fähigkeiten nehme ich niemanden ab. Ich glaube, das fast 
jeder lernen kann, da mitzuhelfen. Aber das kostet halt Zeit. Und da ist es 
für mich ein Zeichen von Respekt, wenn ich die Zeit schon nicht aufwenden 
möchte, die Zeit derer zu respektieren, die sie – oft unbezahlt – aufwenden. 
Die also einen Teil ihrer freien Zeit verwenden, um anderen am Ende eine 
Linux-Distribution zu bauen, bei dem eine Aktualisierung von einer stabilen 
Version zur nächsten stabilen so gut abläuft, wie es das bei Debian tut. Die 
Anwender, die Debian Stable verwenden, bekommen von all diesen Transition 
nicht sonderlich viel mit.

Ich sehe es mittlerweile sogar als Geschenk an, bei Debian (und anderen freien 
Software-Projekten und Distros) die Entwicklung so transparent mitverfolgen zu 
können und zu dürfen.

Ciao,
-- 
Martin


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