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Re: [Debian]:Zeitschrift: Linuxer sind Kulturverweigerer!



Sehr geehrte Damen und Herren,


Über Ihren Essay "Zu Guter Letzt" mit dem Titel "Rangabzeichen" mußte ich
schon sehr schmunzeln. Die Windows-Benutzer als Hochkultur zu bezeichnen
ist schon sehr gewagt, will man sich nicht als informationstechnischer
Hinterwäldler outen.

Doch der Autor geht sogar noch weiter und zeigt dem Leser, daß er auch
die Menschengruppierung, die er verspottet, nicht recht kennt. Jene, die
den selbsternannten Guru Bill Gates und seine ihn anbetenden Jünger seit
jeher aufgrund derer Akzeptanz minderwertiger Produkte verhöhnen, sind 
ausgerechnet diejenigen, die die zur Zeit als am avantgardistischsten
zu bezeichnende Struktur für sich ausgesucht haben: Arbeit auf
freiwilliger und unentgeltlicher Basis, nach dem Motto "jeder so, wie er
kann und wie er Zeit zu opfern bereit ist".

Doch daß es dem Autoren an Sachkenntnis mangelt, beweist er noch mit
Nachhaltigkeit: wenn es denn nur so wenige Pannen wären, wie Sie
behaupteten. Tatsache ist, daß der großartige Bill Gates seit Jahren sein
Betriebssystem als der Weisheit letzter Schluß wohlfeil bietet. Tatsache
ist auch, daß in die Systemarchitektur nach und nach Technologien
eingebaut werden, die in anderen Betriebssystemen bereits seit
Jahrzehnten verwendet werden und nun bei aller Aufregung über das
Ereignis, diese Technologien nun endlich verstanden zu haben, nicht mehr
als gerade eben erst erfunden zu bezeichnen sind. Wie sonst hätte es
passieren können, daß das MSN, das dem Internet nach Aussage seines
weltverbessernden Schöpfers Bill Gates den Rang ablaufen sollte, nun
fester Bestandteil der Firmenpolitik ist und nach Aussage der Werbespots
des befreundeten Chipherstellers Intel "im neuen Pentium gleich mit
eingebaut ist"?

Bleibt abschließend noch festzustellen, daß Jener, der sich damit
zufrieden gibt, daß Computer zwangsläufig gelegentlich mal abstürzen, der
beste Freund aller Verkäufer sein müßte. Wenn seine Sachkenntnis auf
anderen Gebieten genauso tiefgründig ist, müßte er sich auch damit
abfinden können, daß sich der Hammerkopf selbstverständlich ab und an vom
Schaft löst, daß ein Auto eben mal selbständig einen Unfall baut, daß ein
Flugzeug gelegentlich mal abstürzt und daß eine Personenfähre dann und
wann mal untergeht. Damit kann er ja leben.

Ich denke, Sie stimmen mir zu, wenn ich den vielen anderen Menschen
danke, die sich nicht mit scheinbar gottgegebenen Zuständen abfinden,
sondern ihre Energie dafür aufwenden, den Status Quo zu verbessern. Denn
sonst wäre die Menschheit sicherlich immernoch damit zufrieden, daß
ihresgleichen bei der Jagd mit dem Fauskeil zwangsläufig gelegentlich mal
vom bejagten Tier umgebracht werden. Den Speer hätte man noch nicht
entdeckt.

In Anbetracht dieser Überlegung brauche ich kein Mantra zu repetieren,
sondern kann über all jene, die ihren Computer mal wieder mit einem
eMail-Virus angesteckt haben oder sich über absturzbedingte Datenverluste
ärgern, nur müde belächeln. Denn sie wissen es wohl nicht besser, die
Armen.


Mit freundlichen Grüßen,

    René Tschirley


-- 
Dipl.-Inform. René Tschirley,              http://cg.cs.tu-berlin.de/~pooh
TU Berlin, Computer Graphics and Computer Assisted Medicine research group

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