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Re: Shared library -> dynamische Bibliothek / Laufzeit-Bibliothek?



* Holger Wansing <linux@wansing-online.de> [080824 01:04]:
> eine Frage von einem Nicht-Informatiker:
>
> ist die Übersetzung von shared library mit
>
> 	dynamische Bibliothek
>
> oder auch
>
> 	Laufzeit-Bibliothek
>
> korrekt?

Eine Übersetzung eines einzelnen Wortes oder einer einzelnen Phrase
kann niemals "korrekt" sein. Es geht darum, den Ausdruck einer Bedeutung
in einer Sprache durch einen möglichst passenden Ausdruck in einer
anderen Sprache zu übertragen. Daher gibt es eine entsprechende Anzahl
von möglichen Übersetzungen, die aber nur im Kontext und in einer
gewissen Interpretation des ursprünglichen Textes korrekt oder inkorrekt
sein können.

"Shared library" ist einer der Fälle, wo es einfach keine 1:1
Übersetzung gibt. Von der Wort-herkunft bezeichnet es eine bibliothek,
die gemeinsam genutzt werden kann bzw so genutzt wird.

Unter Unix gibt es ein zur Laufzeit laden oder nachladen von Bibliotheken
klassischerweise nur für solche "shared object libraries" (.so Dateien),
so dass man "shared library" auch verwendet, um auszudrücken, dass etwas
zur Laufzeit geladen wird. In dieser bedeutung wird es sogar dann
verwendet, wenn es gar nicht "shared" ist, sondern nicht PIC. (Was daher
kommen mag, dass das Format praktisch das gleiche ist, die Dateiendung
immer noch das .so ist, oder das solche Objekte (die auch nur auf sehr
wenigen Architecturen von Linux unterstützt sind ein so schrecklicher
Hack sind, dass sich da niemand Gedanken drüber macht).
"Shared" drückt also auch aus, was unter Windows oder MacOS
"dynamic" bedeutet, auch wenn es nicht mehr der Wortherkunft entspricht.

Auch in eine andere Richtung gibt es eine Bedeutungsausweitung. Eine
"library" im klassichen Sinne ist etwas, was vorgefertigte Funktionen
zur Verfügung stellt, die ein Programm nutzen kann. Dieser Fall ist sehr
ähnlich, wenn man ein Programm um Funktionen erweitern können will und
auch durch ".so" Dateien lösbar.
"Shared library" drückt also auch eine gewisse Implementation von
"plugin" mit ein.

Der Begriff "shared library" drückt also gleichzeitig viele Aspekte aus,
von denen nichteinmal alle zutreffen müssen. Eine Übersetzung dieses
Wortes ist also immer eine Interpretation des Ursprünglichen Textes,
welche dieser Aspekte wie sehr gemeint sind, welche nur mitgeschlept
werden und welche sogar falsch sind. (Richtig gemein sind natürlich
Anspielungen im Orginal, die muss man dann evtl. schweren Herzes
untergehen lassen, um die Verständlichkeit zu retten).

Dann kommt der schwierige Teil, diese Bedeutung in einem deutschen Text
auszudrücken, mit der besonderen Schwierigkeit, dass die Bedeutung in
einem deutschen Text meist nichtmal so besonders klar ist.

Ich denke für viele Fälle kann "Laufzeitbibliothek" eine sehr gute
Übersetzung sein. Der Ausdruck "dynamische Bibliothek" ist zumindest vom
Klang her ziemlich viel von einer Pseudo-übersetzung des unter Unix
nicht so gebräuchlichen Begriffes (Was ihn aber noch nicht zu einer
schlechten Übersetzung macht, es kommt viel mehr darauf an, ob der
Begriff im deutschen Sprachgebrauch genügend Bedeutung bekommen hat[1]),
hat aber den Vorteil, das Spielchen wie die Dualität "shared <->static"
mit den Pseudoübersetzungen "dynamisch" "statisch" recht gut ausdrückbar
ist.
Ansonsten kusiert manchmal noch die "gemeinsam nutzbare Bibliothek"
herum, die ich persöhnlich (außer natürlich, wenn exlitit diese
ursprüngliche Bedeutung des englischen Wortes gemeint ist).
Ansonsten kann auch "Plugin" in bestimmten Fällen die beste mir bekannte
Übersetzung sein...

Hochachtungsvoll,
	Bernhard R. Link

[1] Mann denke nur mal an "speichern", was für "save" im Sinne von in
Datei schreiben eine recht merkwürdige Wahl ist. Aber es halt sich halt
durchgesetzt und nachträgliche Versuche, auf "sichern" zu wechseln sind
gescheitert, weil das schlechter verstanden wird...


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