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Re: Geschlechtsneutrale deutsche Übersetzung oder nicht?




Am Donnerstag, 19.08.04 um 08:27 Uhr schrieb Rudi Effe:

Warum heißt es der Computer / der Rechner? Heißt es doch auch die Maschine.
Müssen wir hier künftig von Computerin / Rechnerin sprechen?

Nein, weil bei Sachen das Geschlecht gleichmäßig verteilt ist: das Auto, die Maschine, der Motor.

Im Englischen wenden sich emanzipierte Frauen gegen die Bezeichnung "actress" für Schauspielerin -- im Sinne der Gleichberechtigung wollen auch sie als
"actor" genannt werden.

Hier gibt es ein anderes Problem: Das "-ess" ist tatsächlich ein weibliches Anhängsel, das nicht bei allen Wörtern existiert. Unklar ist mir allerdings, warum Frauen die Unterscheidung "-or" und "-ess" zugunsten des "-or", daß m. E. genau wie die Endung "er" männlich ist, aufheben wollen. Außerdem muß ich eingestehen, daß ich nicht weiß, ob die Forderung "actor" statt "actress" zu verwenden nicht aus der gleichen Ecke kommt, aus der auch die Tatsache entstanden ist, daß amerikanische Soldatinnen ebensolche Greueltaten begehen "dürfen" wie ihre männlichen Kollegen (früher gab es keine Frauen an der Waffe in der US-Armee).

Die Probleme bleiben allerdings auch im Englischen: Das Geschlecht zwar mit dem Artikel "the" bei neutralen Substantiven kein Problem, wohl aber durch das "he" und "she".

Die Deutsche Sprache ist in der Tat kompliziert und längst nicht so abgeschliffen, wie das Englische - das stimmt. Aber so wie im Hochdeutschen eine nicht erwachsene (verheiratete) Frau sächlich ist ("das Mädchen" und das Fräulein" im Gegensatz zum nordeutschen Platt "de [die] Deern"), da ist im Englischen gleich de ganze Menschheit ("man" oder "mankind") männlich. - Es gibt allerdigs auch kompliziertere Sprachen, bei denen auch die Prädikate ein Geschlecht haben. Wir dürfen uns also nicht zu sehr beschweren. ;-)

Eine Sache von verordneten "Reformen" ist der Sprachgebracuh sicher nicht (außer bei offiziellen Bezeichnungen wie Amtfrau und Amtmann), bedenkt man, daß schließlich das Hochdeutsche auch nur durch Bücher eingebürgert wurde. Warum sollen also Texte und Bücher nicht auch heute für eine Veränderung sorgen? Bücher können das Denken verändern oder zementieren. Und um den Bogen zu Debian zurückzuschlagen: Warum solll hier nicht wie im Bereich der Softwareentwicklung eine positive Entwicklung gefördert werden? Wo wären wir heute ohne den Open-Source-Gedanken?

Vielleicht sollte einfach mal zu Tat geschritten werden und als Beispiel der Text, der aufgrund der Fehlermeldung in Englischen bereits angepaßt wurde, im Deutschen überarbeitet werden?

Ich weiß nicht, ob das als nützlich empfunden wird, aber sich vorzustellen, daß die Person, von der in einem Text die Rede ist, vor einem steht, hilft manchmal. So merkt ein Leser oder Zuhörer z. B. schnell, daß bei einem Bericht über _den_ Minister ein Überraschungseffekt eintritt, wenn mach mehreren Absätzen plötzlich durch die Nennung des Namens mit Vornamen sich herausstellt, daß Der eine Die ist. Ebenso wird bei der Ankündigung einer Rednerin als Redner keinesfalls eine Frauenstimme erwartet - selbst dann, wenn es sich um eine Veranstaltung handelt, auf der fast nur Frauen anwesend sind.

Debian mehr für Frauen zu öffnen, heißt nicht nur ihre Anwesenheit zu akzeptieren sondern auch, sie aktiv sichtbar zu machen. Es ist letzendlich wie mit allen Dingen: Wenn ein Bereich vernachlässigt wurde, müssen dort verstärkt die Kräfte wirken. Und so wie ich das Debian-Projekt bisher (ich benutze seit über 8 Jahren Debian) bisher kennengelernt habe, fördern solcherlei Herausforderungen den Teamgeist und den Ideenreichtum. ;-)


Gruß

Jutta

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