[Date Prev][Date Next] [Thread Prev][Thread Next] [Date Index] [Thread Index]

Stellungnahme zum Suse-Handbuch



Hallo,

freundlicherweise hat Lars vor ein paar Tagen einen Link auf das Handbuch
für den Suse Schulserver gepostet. Nach dem Durchblättern möchte ich kurz
dazu Stellung nehmen. 

Das Handbuch ist gut gemacht und entspricht den üblichen Erwartungen an zu
bezahlende Software. Jedoch enthält es einige inhaltlilche Aussagen (und
Auslassungen), die ins rechte Licht gerückt werden sollten.

Die Stellungnahme ist als Textdatei angehängt.

Gruß
Peter Voigt

Anmerkung:
Aus gegebenen Anlaß möchte ich betonen, dass ich der Suse-Distribution
gegenüber eine völlig entspannte Haltung einnehme. Neben anderen
Distributionen setze ich Suse ständig ein. 
Stellungnahme zum Handbuch des Suse-Schulservers


Startaussage
------------

Das Handbuch startet mit der Aussage, Schulserver-Projekte wären meistens gescheitert, weil an Schulen Know how und ausreichende Zeit für das Entwickeln fehlen würden. Daher bestände ein Bedarf an professioneller Unterstützung.

Übergangen wird die Existenz von Schulserver-Projekten, die sich an großen Distributionen anlehnen (z.B. K12LTSP an Red Hat) oder auf das Know how einer weltweiten Entwicklergemeinde zurück greifen können (z.B. Skolelinux auf Debian). 

Diese Aussage differenziert nicht zwischen Entwicklung und Support. Diese Unterscheidung ist aber wichtig. Auf der Entwicklerseite gibt es für den Suse-Schulserver keine Alleinstellung. Ohne Anlehnung an die Suse-Distribution wäre der Suse-Schulserver wohl kaum weiter gekommen, als die (nach Lesart von Suse) meistens gescheiterten nicht professionellen Schulserver. Im Kern ähnelt das Entwicklungsmodell von Suse dem Entwicklungsmodell von Skolelinux. Beide borgen sich einen wesentlichen Teil von ihrer Basis-Distribution. 

Langfristig werden sich in Deutschland zwei Schulserver gegenüber stehen, sollte es dem dritten im Bunde, nämlich Arktur, nicht gelingen, sein Entwicklungsmodell umzustellen. Dass manche Entwickler das Abschmelzen ihres "Marktanteiles" voraus sehen, beweist ihre negative Stimmungsmache gegen andere Schulserver. Wer sich nicht bedroht fühlt, hat sowas schließlich nicht nötig.


Auswahlhilfe
------------

Das Handbuch richtet sich offensichtlich an einen Personenkreis, der die Frage, wozu ein Netzwerk an Schulen gebraucht wird, bereits für sich beantwortet hat, und sich nur noch für das wie interessiert. Das Handbuch erläutert weder, welche prinzipiellen Vorteile Computernetzwerke an Schulen bieten, noch gibt es einen Überblick, welche Funktionalitäten eines Netzwerkes ausgerechnet an Schulen benötigt werden. 
 
Diese Auslassung hat zur Folge, dass man erst das ganze Handbuch durchlesen muß, bevor man den realten Nutzen des Suse-Schulservers für eine Schule abschätzen kann. Der Vergleich mit anderen Produkten, insbesondere den OpenSource-Schulservern, wird eher erschwert als erleichtert.

Zur Ehrenrettung von Suse muß gesagt werden, dass fast alle anderen Schulserver, insbesondere aus dem OpenSource-Bereich, zu diesem Thema noch weniger aussagen. Die einzige Ausnahme, die mir bekannt ist und in etwa dieses Thema streift, stellt IServ aus Braunschweig dar.  Während beispielsweise IServ sich viel Mühe gibt, die Bedeutung der Groupware-Funktionalität für den Schulunterricht zu erläutern, beschränkt sich das Handbuch von Suse auf die Darstellung, wie das Groupware-Programm zu bedienen ist. Leider läßt die Webseite von Iserv nicht erkennen, ob es noch weiter entwickelt wird.


Hauptproblem
------------

Die meisten Schulserver treten mit dem Anspruch auf, von Anwendern mit wenig EDV-Wissen und wenig Computer-Erfahrung installiert und administriert werden zu können. Je mehr Funktionalitäten sie bieten, um so schwieriger wird es, dieses Versprechen einzuhalten. 

Die gegenwärtige Netzwerk-Technik ist weit davon entfernt, genauso einfach zu funktionieren, wie beispielsweise Hifi-Anlagen. Und je mehr Entscheidungen dem Anwender beim Installieren abgenommen werden, umso unflexibler wird das Ganze.

Deshalb kann selbst der Suse-Schulserver nicht davor halt machen, Dinge wie beispielsweise erweiterte Partitionen, IP-Adressbereiche, Primary Domain Controller etc. anzusprechen.
 
Ich halte den Ansatz, den Hintergrund dieser Themen auszuklammern oder bestenfalls mit leichter Hand zu streifen, für problematisch.
 
Treten in der Praxis Schwierigkeiten auf, ist profundes Wissen gefordert, um Ursachen eingrenzen und lösen zu können. Daran fehlt es im Handbuch. Vorhanden ist einzig eine oberflächliche Erläuterung der Log-Dateien und eine Erklärung, wie mit der Live-CD-Funktion Partition und Passworte verändert werden können. Auf Fehlermeldungen im Betrieb wird an keiner Stelle eingegangen, so als ob sie gar nicht existieren würden. Nun ja.

Der Ansatz des Handbuches bleibt aber insofern konsequent, als der Anwender bei Suse auf zu bezahlenden Support zugreifen kann. An dieser Stelle entfernt sich der Suse-Schulserver tendenziell von dem Grundgedanken der OpenSource-Bewegung. Dort steht die Hilfe zur Selbsthilfe im Vordergrund.

Ich hätte mir an den jeweiligen Stellen Hinweise auf weiterführende Informationen gewünscht, beispielsweise in Form von links auf Fundstellen im Web. Das zählt im OpenSource-Umfeld zum guten Ton. Das Handbuch enthält solche links nur im Glossar und dort auch nicht für alle Begriffe. Merkwüdigerweise wird recht häufig auf RFCs hingewiesen. Wer außer Spezialisten liest denn sowas?

Die vorhandene Lücke muß sich natürlich inhaltlich auswirken. Das Handbuch behilft sich damit, an den entsprechenden Stellen davor zu warnen, die vorhandenen Möglichkeiten des Schulservers ausnutzen, selbst wenn sie leicht zugänglich sind. Beispielsweise soll man von gewissen Einstellungen für LDAP oder Postfix die Finger lassen, obwohl es optisch gut gelungene Eingabemasken gibt, die sogar teilweise im Verlauf einer Installation durchlaufen werden müssen.

An manchen Stelle beißt das Handbuch in den sauren Apfel und führt Schritt für Schritt durch eine manuelle Installation, beispielsweise beim Terminalserver. Hier verliert das Handbuch seine Leichtigkeit. Der Gang des Geschehens wirkt schwerfällig, so als ob kein pädagogisches Konzept existiert, einem wenig informierten Anwender das Thema nahezubringen. Beispielsweise wird sogar der Einsatz eines XML-Editors vorgeschlagen, aber beileibe nicht erklärt.

Da offenbart sich eine gewisse Inkonsequenz in der vorgegebenen Benutzeroberfläche des Suse-Schulservers, die sich im Handbuch zwangsläufig wiederspiegeln muß. Sie beruht letztlich auf der Entscheidung von Suse, auf Konfigurationsdateien nicht direkt, sondern über eine Zwischenschicht (Yast) zuzugreifen. Dieses Modell hat seine Vorteile, aber eben auch Nachteile, weshalb man häufig beobachten kann, dass sich erfahrene Anwender nach einer Weile von Suse abwenden.

Solche Anwender mögen es nicht, beispielsweise beim bequemen Anlegen eines Benutzers über eine graphische Oberfläche Quotas für E-Mails und Plattenspeicherplatz vergeben zu können, wenn das Feintuning nur über das manuelle Ändern versteckter Konfigurationsdateien auf der Textkonsole möglich ist. Ähnliche Probleme zeigen sich bei der Konfiguration von winschuttle und anderen.

Hier offenbart sich eben die prinzipielle Schwäche des technischen Ansatzes der Suse-Distribution, die das Handbuch nicht beseitigen kann.
 
Wer nicht schon vorher weiß, wie man eine Konfigurationsdatei ändern kann, könnte scheitern. 
Zwar wird im Anhang auf zwei einzelne Themenkreise näher eingegangen, nämlich auf LDAP und auf vi. 

Nun sollte man bei LDAP tunlichst nichts verändern. Die Informationen über LDAP sind recht interessant, aber für die tägliche Praxis nicht wirklich wichtig. 

Umgekehrt ist es bei vi. Hier wird nichts veranschaulicht, es gibt keinen einzigen Bildschirmausdruck. Das pädagogische Konzept bleibt unklar. Dafür wird der Stellenwert von vi für ein Linux-System recht gut erklärt. 

Irgendwie empfindet man diesen Texteil aber als Fremdkörper im Handbuch. Um vi sinnvoll einsetzen zu können, hätten andere Befehle erklärt werden müssen. Was ist mit cd, ls, mv, cp, less ...? Ohne Kenntnis dieser Befehle hilft vi allein kaum weiter.

Der Anwender, der weiß, wie man eine Konfigurationsdatei auf der Textkonsole ändert, wird sich mit der graphischen Oberfläche von Suse kaum anfreunden. Denn wesentliche Einstellungen sind in der Zwischenschicht (yast) gespeichert, so dass er durch Versuch und Irrtum lernen muß, was er in den Konfigurationsdateien ändern darf und was nicht. Für ihn stellt sich die graphische Oberfläche eher als ein Hindernis dar.

Das wirkt alles irgendwie zwiespältig.


Niveau
------

Verblüffend ist das Fehlen einer einführenden Übersicht über die Arbeitsschritte, die im Rahmen einer Installation notwendig sind. 

Das Handbuch stellt sich als eine endlose Aneinanderreihung von Einzelschritten dar, die schon beim Durchlesen ermüden können. Das hätte anders gelöst werden können. 

Das Handbuch ist eben in Wahrheit ein Buch von Technikern für Techniker.  

Dass sich das Handbuch an Profis richtet, merkt man aber erst, wenn man die ersten 100 Seiten schon hinter sich hat. Dann wird beispielsweise das Thema LDAP oder das Thema fetchd - weis jemand, was das ist? - in einer Tiefe, sprich Kürze, behandelt, die einem Fachgespräch unter Profis gut zu Gesicht stehen würde.

Dagegen zeigen sich am Anfang des Handbuches harmlose Textpassagen mit dem üblichen Eigenlob von Softwareherstellern "Linux Servern auf hohem Niveau, leistungsfähiges Produkt, kaum Wünsche offen lässt", die ein entspanntes Lesen erwarten lassen. Das täuscht über den Gehalt manch anderer Passagen hinweg.

Mir hätte es besser gefallen, wäre das voraus gesetzte Niveau schon auf den ersten Seiten spürbar geworden.


Bewertung
---------

Alles ist allem ist das Handbuch gut gelungen. Es enthält sachliche und zutreffende Formulierungen. Die Gliederung ist klar und nachvollziehbar aufgebaut. Gelungen ist der Versuch, Themen anzusprechen, die ausserhalb der technischen Sphäre liegen, beispielsweise durch Vorlage einer schulischen Benutzerordnung und einer vorformulierten Datenschutzbewilligung für die Eltern.

Das alles kann aber über die geschilderten grundsätzlichen Probleme nicht hinweg helfen. Diese sind bei Suse in der Natur der Sache angelegt. Leider fehlt jeder Hinweis, wie der Schulserver intern funktioniert. Zur Mitentwicklung wird man nicht ermuntert. Nicht nur damit demonstriert der Suse-Schulserver eine gewisse Distanz zur Open Source Bewegung. 


Fazit
-----

So detailliert ausgearbeitete Handbücher findet man im Open Source Umfeld viel zu selten. Dem inhaltlichen Anspruch an ein OpenSource-Handbuch wird das Suse-Handbuch aber nicht gerecht. Das wird vermutlich auch gar nicht beabsichtigt gewesen sein.

Peter Voigt
31.07.04











Reply to: