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Re: [fast OT] INet Kinderschutz unter Linux



On Sunday 13 November 2005 19:11, Gerhard Wolfstieg wrote:
> On Sun, 13 Nov 2005 18:00:16 +0100
>
> [...]
>
> Zur Hauptsache:  Gebhard, Dich nehme ich hier als Lehrer in spe aus.

Da will ich auch drum gebeten haben ;-)))

> Weil ich einige Lehrer kenne und eine ausgeprägte Beobachtungsgabe habe,
> muß ich hier noch etwas schreiben. Gerade im Bereich der Musik, der für
> die Identitätsfindung enorm wichtig zu sein scheint, kriechen viele

Das hat Anne-Sophie Mutter auch letztens im SZ-Interview erzählt. Wir 
haben früher im Musikunterricht Partituren gelesen, bis es keinen mehr 
gab, der das nicht konnte. Hab ich zu Hause sogar freiwillig gemacht. 
Heute im Musikunterricht (ich kenn das von meinen Unterrichtspraktika) ... 
In der Grundschule haben sie Blümchen gehört (das war mal sone 
Technosängerin. Techno für 8jährige - wir haben in der Grundschule Peter 
und der Wolf gehört) In einem Schulunterricht!!! Auf mein darob geäußertes 
Unverständnis hieß es: Wir müssen die Kleinen interessieren. "Mitnehmen", 
wie das im Fachdidaktikjargon heißt. Ja wohin denn? Ins Kaufhaus? Als ich 
mein Studium noch auf dem Bau finanziert habe, hab ich mich manchmal fast 
geprügelt wegen diesem ewigen Geplärr aus den Radiorecordern, die die da 
immer haben. Und dann kommt man in die Schule und hört die gleiche Sch... 
im Unterricht. Aber wenn Du mal mitkriegtest, was Lehramtsstudenten so 
alles in Fachdidaktik "gelehrt" wird, dann wundert Dich gar nichts mehr.

> Deiner zukünftigen Kollegen den Kids hinten rein und wollen deren Musik
> genauso gut finden, genauso gut kennen, wie die selbst und rauben denen
> so normale Entwicklungsphasen. Erwachsene haben die Nachwuchsmusik
> gefälligst scheußlich zu finden. Über Musik hinaus gehend: Erwachsene

Nicht unbedingt scheußlich, aber mindestens: dürftig. Obwohl der Gedanke, 
dass sich einer von diesen Schleimern eine Aggro Berlin-CD kauft, weil er 
ja sonst nicht auf Augenhöhe (!!!) mit seinen Kiddies verkehren kann, ganz 
entschieden wieder etwas erheiterndes hat. Da würd ich Eintritt für 
bezahlen, das dumme Gesicht zu sehen.
Aber mal im Ernst: die Fachdidaktik empfiehlt zwar in Sprache, Kleidung 
etc. Distanz zu den Schülern, die Konzepte für den Fachunterricht zielen 
aber so sehr auf das unmittelbare Interesse, "Mitnehmen", "Ansprechen", 
kurz, den offensichtlichen Bezug zur Lebenswelt der Schüler ab, dass 
solche Anbiedereien eigentlich die notwendige Konsequenz sind. Wenn Themen 
scheinbar fremd, sperrig, ohne erkennbaren Zusammenhang zur eigenen 
Lebenswelt sind, geht man nach der Methode: "Was nicht passend ist, wird 
passend gemacht" vor, in einer Art, die jedem Fachwissenschaftler die 
Zornesröte ins Gesicht treiben würde. Die Fachwissenschaftler nölen dann 
rum, die Studenten seien alle nicht mehr studierfähig und die Uni solle 
sich ihre Studenten selbst aussuchen können. Ich kann da nur noch lachen, 
wenn ich sowas höre. Dem Prof, bei dem ich grad meine Examensarbeit 
geschrieben habe, muss ich mal das Konzept des "problemorientierten 
Geschichtsunterrichts" auseinandersetzen, dann weiß er, was er von der 
Vorbereitung auf das Hochschulstudium im Geschichtsunterricht eines 
Gymnasiums zu erwarten hat.
Hier studieren ja einige Informatik - schade, dass ich meine 
Fachdidaktik-Bücher, die ich für meine Didaktik-Prüfung brauchte, nicht 
mehr hier habe. Da hat z.B. ein Didaktik-Prof die Unterrichtsplanung und 
-durchführung in einem Mathe-LK auseinandergenommen, der nach eigenem 
Bekunden keinen Blassen von der Materie hatte. Das muss man gelesen haben, 
wie der Verständnisschwierigkeiten bei den Schülern auf "den mangelnden 
lebensweltlichen Bezug" zurückführt und die Inhalte eines 
Hochschulstudiums, nämlich Mathematik, kritisiert, über das er nicht die 
geringste Ahnung hat. Der redet wie der Blinde von der Farbe, aber Gnade 
Gott dem Studenten, der durchscheinen lässt, dass er so einen nicht ernst 
nimmt.

> dürfen nicht vertrauliche Kumpel mit Jugendlichen sein wollen. Bei
> Verstößen dagegen braucht sich niemand zu wundern, wenn Jugendliche
> ausweichen auf andere Gebiete, bis etwas gefunden ist, das richtig
> provoziert. Das ist wie alles Lebendige ein Gradwanderung. Damit Kinder
> offen mit ihren erwachsenen Bezugspersonen reden, braucht es keine
> Kumpelhaftigkeit, die zudem vermutlich Vorbildfunktionen im Positiven
> nicht zuläßt.
>
Das Problem ist, dass Jugendliche in dem Alter eher weniger Bock auf 
Bezugspersonen haben, war bei uns früher auch nicht anders. Offenes 
Gespräch? Nee danke, dann merkt der Alte noch, wieviel mein Leben mit 
Schule zu tun hat (nämlich gar nichts). Aber sowas zu hören, um zu 
provozieren, wäre uns früher nicht eingefallen. Schön, früher war alles 
besser, wissen wir - aber geh mal davon aus, dass das mehr als Provokation 
ist. Und da guckt man als Lehrer wirklich dumm aus der Wäsche, denk an den 
armen Kerl aus dem Spiegel-Bericht. Das war auch nicht unbedingt einer aus 
der Schleimer-Sektion. Was ich sagen will, ist: Versäumnisse im Elternhaus 
führen in der Schule halt zu verlorenen Klagen vorm Verwaltungsgericht. 
Die Nazis, wie ich mal auf einem Nazi-Forum gelesen habe, das Google als 
Treffer für Aggro oder irgendsowas anzeigte und ich jetzt leider nicht 
mehr finde, sind jedenfalls ganz begeistert von der "neuen deutschen 
Welle" und wollen jetzt auch HipHop machen.

> In diesem Licht sind Aufsicht und Zeitlimit -- positiv -- zu sehen.
> (Uff, Thema wiedergefunden!)
>
Hmm. Ich weiß nicht. So einfach ist das alles nicht. Hilfreich wäre es 
jedenfalls, wenn Lehrer mal kapieren würden, dass zur Bildung auch das 
Interesse für Themen gehört, die nichts mit einem zu tun haben, wie 
überhaupt die Welt nicht nur aus der eigenen, bekannten besteht, was auf 
Musik übertragen z.B. heißt, dass man auch mal Sachen hören muss, die sich 
einem nicht gleich beim ersten Hören erschließen.
>      Gerhard
Gruß Gebhard

-- 
Q:	How many Oregonians does it take to screw in a light bulb?
A:	Three.  One to screw in the lightbulb and two to fend off all those
	Californians trying to share the experience.



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