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Re: An alle Linux-Götter



On Wednesday 26 October 2005 13:01, Thorsten Haude wrote:
> Moin,
>
> * Gebhard Dettmar wrote (2005-10-26 12:33):
> >[...]
>
> Ich fasse mal zusammen:
>     Quidquid latine dicitur, altum videtur
>
> Richtig so?
>
Ausgezeichnet. Genau so.
> >Hier noch ein paar Sprüche: bei der Kirchhof/Flat-Tax-Debatte hab ich
> >immer drauf gewartet, das mal einer das hier bringt:
> >Legem brevem esse opportet, quo facilius ab imperiti intellegi possit
> >Ein Gesetz muss kurz sein, damit es umso leichter von Unkundigen
> >verstanden werden kann
>
> Auch sehr nett, von wem stammt das? (Google kennt die Zeile nicht,)
>
Wusste ich bisher noch gar nicht. legem brevem esse oportet bringt bei 
Google z.B.
http://ccat.sas.upenn.edu/bmcr/2001/2001-03-26.html. Also erstens habe ich 
oportet falsch, nämlich mit pp geschrieben (das korrigiert google ja noch, 
die müssen da irgendeine Dopplungs-/ähnliche Vokale-RegEx in ihrer DB 
haben) und dann schreibt Seneca also in Ep. 94, 38: ab imperiti teneatur, 
statt intellegi possit'. ('damit es umso leichter begriffen wird' statt 
'verstanden werden kann'. Am besten immer nur mit einem Teil des Gesuchten 
googlen, sowas kommt häufig vor. Würde mich auch nicht wundern, wenn das 
in meiner Fassung auch irgendwo auftaucht, das ist oft so, wenn das 
Original eigentlich Griechisch ist. (Poseidonios war ein griechischer 
Stoiker, deren Schriften sind größtenteils verloren, ein bisschen davon 
gibts in den Fragmenta Stoicorum, das meiste bei Cicero oder Seneca. Sowas 
ist, wie gesagt, fast die Regel bei lat. Sprüchen: oft stammen die von den 
Griechen, von denen sehr viel verloren ist. Beispiel: Oderint dum metuant 
aus der letzten Mail. Das steht schon bei Cicero in De officiis ohne 
Herkunftsangabe, das kann also irgendein Stoiker gesagt haben oder 
irgendein Tyrann aus irgendeinem Platonbrief. Die Quellenangabe 'Caligula' 
ist also strenggenommen falsch (obwohl ich noch nie eine andere gesehen 
habe). Würde mich nicht wundern, wenn in lat. Zitatlexika mindestens die 
Hälfte der Angaben nur mit Einschränkung oder gar nicht stimmt. Im Prinzip 
müsste man alle, bei denen es nicht völlig klar ist (wie Vergil beim 
Danaergeschenk), speziell alles, was irgendwie philosophisch klingt und 
damit fast sicher von den Griechen stammt, ins Griechische rückübersetzen, 
und zwar in allen möglichen Varianten (z.B. 'Ein Gesetz darf nicht zu lang 
sein' statt 'muss kurz sein'), und durch den TLG (Thesaurus linguae 
graecae) jagen (Gibts auf CD, kann keine RegExes. BibleWorks z.B. kann 
RegExes und bei mir im Institut zittern alle davor, dass ich die beiden 
mit Wine zum Laufen kriege. Dann ist nämlich Feierabend mit Windows, har 
har) So einen Lektor bezahlt kein Verlag, darum sind solche Lexika auch 
alle populärwissenschaftlich, nicht zitierfähig usw.
Ist für eine Signatur-DB vielleicht nicht ganz so entscheidend, aber 
Quellenangaben im Zweifelsfalle lieber weglassen, ist sozusagen vermintes 
Gelände ;-)
>
> Thorsten
Gebhard

p.s. Eins hab ich noch vergessen: Ludwig XIV, der Sonnenkönig, legte 
großen Wert auf die Erziehung seines Sohnes durch die Klassiker. Da die ja 
bekanntlich nicht immer ganz jugendfrei sind, ließ er die entsprechenden 
Stellen säubern. Diese gesäuberten Ausgaben nannte jemand (man frage mich 
nicht, wer) Ad usum Delphini (=zum Gebrauch des Dauphin, des franz. 
Thronfolgers) und das sagt man jetzt ironisch zu Zensur.

-- 
Swerve me?  The path to my fixed purpose is laid with iron rails,
whereon my soul is grooved to run.  Over unsounded gorges, through
the rifled hearts of mountains, under torrents' beds, unerringly I rush!
		-- Captain Ahab, "Moby Dick"



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