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All You Perl Hackers: beware!!!!



Hallo Leute,

anbei eine Email, die ich über Q/depesche bekommen habe, und wo ich der Sache 
mal etwas nachgegangen bin:

>>>>>
Von: 
Markus Heller <markus@relix.de>  (RELIX.DE)
  An: 
"NIEBLER Angelika" <aniebler@europarl.eu.int>, Markus Feilner 
<mfeilner@feilner-it.net>, christoph.haenle@risklab.de, fmueller@mysql.com
  Datum: 
Heute 14:49:56
Lieber Herr Dr. Büttner,

nun haben wir einen sehr konkreten Fall, bei dem besonders klar wird, wie 
gefährlich das Minenfeld für kleine Softwareentwickler wird:

Die (amerikanische) Firma SUN Microsystems hat folgendes Patent zugesprochen 
bekommen:
http://l2.espacenet.com/espacenet/claims?PN=EP1170667
Darin geht es um ein "tool", das Softwarepakete auf gewisse Parameter hin 
untersucht. 

Es ist nach meinem Dafürhalten und nach dem Urteil von Patentanwalt Dr. 
Ernst-Peter Heilein (Unterschleißheim, Tel. 089 3183 7670) nirgendwo die Rede 
davon, daß auch nur ein einziges Mal ein technisches Gerät - außer ein 
Rechner - verwendet wird. 
Dennoch betont das EPO, vertreten durch den Mitarbeiter Colin Stratford 
(Durchwahl 089 2399-5116), daß keine Patente auf reine Software vergeben 
werden. 

Konkret wird eine derartige Funktion durch das Perl-CPAN erfüllt. Das CPAN ist 
ein Mechanismus, mit dem man über das Internet Funktionsbibliotheken der 
Programmiersprache "Perl" nachinstallieren und installierte Bibliotheken 
testen kann. 

In dem konkreten Beispiel ist jeder kleine Perl-Entwickler betroffen, der 
gegen Geld auch nur eine einzige kleine Software entwickelt, weil man 
eigentlich immer über das CPAN Perl-Module installiert. Jeder kleine 
Entwickler verstößt damit faktisch und konkret gegen das vorliegende Patent 
und setzt sich Lizenzforderungen der Firma SUN aus. 

Entgegnen kann man diesem Patent nur, indem man sich (kostenpflichtig) von 
einem Patentanwalt beraten läßt, und den Aufwand auf sich nimmt, 
nachzuweisen, daß das CPAN bereits vor der Patenteinreichung vor dem Jahr 
2000 bestanden hat. Dr. Heilein taxiert einen Einspruch auf folgende Kosten:

610 Euro Einspruchsgebühr
welche enthalten sind in 
1500 Einspruchs-Grundgebühr, die an ihn zu zahlen sind, plus
1000 Euro (5 Stunden Bearbeitungsgebühr, vorausgesetzt, das ganze läßt sich 
mit 5 Stunden abhandeln)
---------
2500 Euro Minimum
Dabei ist jedes der 32 Merkmale begründet zu beanstanden.

Als Alternativen rät der Patentanwalt:
- sich beruflich anders zu orientieren, gleichbedeutend mit dem Verlust der 
Existenz.
- darauf zu hoffen, daß man von der Firma SUN nicht "entdeckt" wird. Ein Rat, 
den mir der Mitarbeiter des Patentamts auch gegeben hat. 
- darauf zu hoffen, daß sich eine größere Firma der Angelegenheit annimmt und 
das erteilte Patent anficht.
- und vorzusorgen, indem man den Stand der Technik vor dem Patentantrag für 
sich dokumentiert, damit man im Fall eines Lizenzverfahrens Argumente hat.

Laut Patentanwalt beläuft sich der Arbeitsaufwand für ein Einspruchsverfahren 
auf etwa dieselbe Höhe wie der Aufwand zur Einreichung eines Patents. Kosten 
für einen Einspruch werden von keiner Seite erstattet, d.h., als kleiner 
Entwickler trägt man in jedem Fall minimum Kosten iHv 2500 Euro. 

Wie Sie sehen, kommt zu diesem finanziellen Aufwand der Arbeitsaufwand hinzu, 
rechtlich brauchbare Unterlagen für die Argumentation der Nichtigkeit des 
Patents zu sammeln und vorzuhalten. 

Alles in allem ein Aufwand, der von keinem kleinen Entwickler zu erbringen 
ist.

Und man muß nun berücksichtigen, daß ein Patentanwalt (wie in diesem Fall) für 
Softwarepatente ist und das EPO im Normalfall nicht daran interessiert ist, 
erteilte Patente zurückzunehmen (laut Patentanwalt Dr. Heilein).

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Übrigens verstoße ich als Dozent meines Proseminares "Perl für 
Fortgeschrittene" auch zweimal in der Woche gegen dieses Patent. Nur kann ich 
mir einen Patentanwalt einfach nicht leisten und habe auch keine Zeit, mich 
gegen dieses Patent zu wehren, da ich erst einmal meinen Lebensunterhalt 
erwirtschaften muß.

Die Frage ist, ob seitens der Politik ein derartiger Zustand gewünscht wird 
oder nicht. Wenn nicht, dann muß man entsprechend bewußt dagegen vorgehen. 

Bitte legen Sie Frau Dr. Niebler diesen, sehr konkreten Fall vor. Ich würde 
gerne wissen, wie sie eine derartige Situation beurteilt. 

Mit freundlichen Grüßen

Markus Heller
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Viele Grüße
Markus



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