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Re: [Debian]:Zeitschrift: Linuxer sind Kulturverweigerer!



Michael Hierweck <michael@hierweck.de> writes:

> Zur Information:
> 
> Der Bundesverband von Führungskräften bei Post
> und Telekommunikation - eine Art "Gewerkschaft"
> der leitenden Angestellten aller aus der Post
> hervorgegangenen Unternehmen - bezeichnet in
> der on- und offline Ausgabe seiner Mitglieder-
> zeitschrift "Spektrum" Windows-Verweigerer
> (also vor allem uns Linuxer) als Kultur-Verwei-
> gerer. Dabei werden Vergleiche mit Fanatikern
> und untergegangenen Hochkulturen gewählt.

Hallo,
der Text ist schlecht (sowohl inhaltlich als auch in der Form). Hier
mein bescheidener Beitrag dazu:

Hey,
nicht schlecht der Text, für eine verkappte Werbung. Kommt daher wie
eine Satire oder wie eine Glosse und ist doch etwas ganz
anderes. Prima. So muß Schleichwerbung sein. Wie ich darauf komme? Nun
gut, der Reihe nach:

1. Der Inhalt

"Unter den heutigen Avantgardisten, die in Wirklichkeit
Strukturkonservative sind, ist es sehr schick, den Monopolisten Gates zu
verhöhnen, manchmal auch, mit mehr oder minder großem Erfolg, zu
verklagen und Microsoft für die moderne Version der großen Hure Babylon
zu halten." Mhm, vielleicht schon Strukturkonservative, weil diejenigen
keine Lust haben, wieder tief in den Geldbeutel zu greifen, wenn es dem
Halbgott mit Brille in den Kopf kommt, wieder mal den eigenen Standart
in einer neuen Office-Version in die Tonne zu kloppen. Es stimmt, die
ganze Welt machte diesen Blödsinn mit, nur einige "Strukturkonservative"
nicht. Diese wollten partout bei ihrer alten, verstaubten, teuren und
noch gebrauchsfähigen Software bleiben. Dabei ist es doch schick, bei
einem Hüsteln aus Redmont sofort alles bisher genutzte über Bord zu
werfen und für einige tausender dort eine verrückt gewordenen
Büroklammer zu erstehen, die einem permanent beim Arbeiten auf den Geist
geht. Nützte aber den standhaft bleibenden Windowsjüngern nichts. Wie
Sie schon richtig bemerkten, wird der gute Billy eben nicht umsonst als
Monopolist bezeichnet. 
Worum es eigentlich geht mögen Sie bitte hier nachlesen:
http://www.phone-soft.at/open-source/10myths_g.html

2. Vergleiche

Vergleiche hinken. Sie sollten sogar tunlichst vermieden werden in einer
Satire, es sei denn, sie sind so ausgefallen, daß man diese benutzen
muß. Ein Beispiel: "Die Wildecker Herzbuben, zwei von Stützstrumpf und
Korsett notdürftig zusammengehaltene, insgesamt mehr flüssig denn fest
wirkende Talgbrocken..."[1] 
Ihr benutzter Vergleich mit Apple und den Mayas (Sieger = Microsoft)
stimmt in dem verwendeten Kontext nicht. Die Mayas sind eben nicht
untergegangen, weil sie sich der Zivilisation, dem Neuen, dem Bewährten
oder was auch immer nicht fügten, sondern weil sie der Brutalität und
der Geldgier der spanischen bzw. portugisieschen Invasoren nicht
gewachsen waren. Dahingehend betrachtet wird Ihr gewählter Vergleich
richtig, mit dem Unterschied, daß Microsoft bei Gericht nicht verhöhnt,
sondern daß dem Monopolisten kräftig in den Hintern getreten wurde :-)
Passen würde eher der Vergleich zwischen Saurier (Microsoft) und
Säugetier (der nicht beachtenswerte Rest zu Saurierzeiten). Was jedoch
mit den Sauriern geschah, ist Ihnen sicherlich bekannt.

3. Text allgemein

Besonders mutig ist es nicht, den Monopolisten nach dem Mund zu
reden. Heinrich Mann beschrieb so ein Verhalten recht treffend in seiner
Satire "Der Untertan" (Ihnen zur Lektüre empfohlen). Dieses wird auch
kurz "Nach oben buckeln, nach unten treten" bezeichnet, es ist nicht neu
und weit verbreitet in deutschen Landen. Ebenfalls ziehen Sie es vor,
die Witzchen, der ansonsten kuschenden Soldaten, über die sie sich
Nachts, wenn kein Balkenträger zuhört, in ihren Kojen vor Lachen
bepissen, breitzutreten. Viel besser wäre es doch, den berühmten und
hier in Deutschland ungern gehörten Satz Erich Kästners "Soldaten sind
Mörder" dem Thema entsprechend umzuwandeln und frei herauszusagen: "Bill
Gates ist ein Geldabschneider und Betrüger". Aber ich weiß, sie
schreiben auch für Telekom-Mitarbeiter(innen), die ebenfalls bei einem
Monopolisten angestellt sind, der sich, was seine Soft- als auch
Hardware betrifft, dem Meister aus Redmont auslieferte. Unter diesem
Blickwinkel wird Ihr Text logisch, wenn auch nicht richtig.
Aber keine Bange, Ihr Text ist politisch korrekt: Keinem aus der
Führungsetage wird er sauer aufstoßen, das Erscheinen Ihres Blattes ist
weiterhin gesichert und mal ehrlich, dazu ist schließlich die
Pressefreiheit ja da.
In diesem Sinne: frohes Schaffen.

Alfred

Footnotes: 
[1]  Wiglaf Droste; Mein Kampf, dein Kampf

-- 
Linux ist wie ein Pinguin im Wasser, elegant und geschmeidig.
     Und für manch andere Spezies durchaus gefährlich.
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