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Re: [Debian]: Bentzerfreundlichkeit und Ansprueche [was: Werbung]



Ja, mein Beitrag kommt mit etwas Verspätung, da ich einfach nicht
hinterherkomme mit diesen ganzen Listen, aber nichtsdestotrotz liegt
mir folgendes doch sehr am Herzen.

manuel.sickert@curie.fr (Manuel Sickert) writes:

> Meiner Ansicht nach lassen sich Linux-Benutzer in (mindestens) zwei
> Sparten einteilen:
> 
> 1.  "Poweruser", die die ganze Bandbreite der Leistungsfaehigkeit
>     und Flexibilitaet brauchen. Darunter zaehle ich u. a. SysAdmins,
>     Developer, ...
[ ... ]
> 2.  "Normalanwender" (ich weiss dass es "normal" nicht gibt, hoffe aber
>     dass ihr "spuert was ich denke" ;-), die ihren PC zum emailen,
>     Websurfen, Diplomarbeitschreiben, .... brauchen. Im Prinzip wuerde
>
Das ist aber eine arg grobe Einteilung der Linuxnutzer.  Ich würde
mich eher dazwischen sehen.  Für mich ist Linux inklusive XEmacs,
LaTeX und all den vielen kleinen und großen Utilities (sed, diff,
grep, patch, RCS und wie sie alle heißen) und nicht zuletzt der
vernünftigen Shell, der sagenhaften Stabilität und des Multiuser-
bzw. Multitaskingfähigkeit das Werkzeug meiner Wahl.  Ich bin zwar
bestimmt kein Poweruser der ersten Kategorie, aber wohl auch schon
lange kein Normalanwender der zweiten Kategorie mehr.  Ein Win9x oder
MacOS wäre für mich jedenfalls definitiv keine Alternative zu Linux
als Arbeitsmittel.

Überhaupt finde ich es sehr unangemessen, ein derart vielseitiges
Unixsystem wie Linux anhand eines Desktopsystems wie Win9x oder MacOS
vergleichend zu beurteilen.  Alles redet von einer Windows-Alternative
bzw. läßt es sich von der Werbung als solche verkaufen.  Aber ich
wüßte nicht, seit wann der Vergleich zwischen einer Orange und einem
Basketball statthaft wäre.  Meines Erachtens sollte man es mal von
einer ganz anderen Perspektive sehen: Win9x und Konsorten sind einfach
keine Alternative zu Linux.  Linux ist vorrangig kein Desktopsystem,
war nie als solches gedacht und wird auch hoffentlich nicht lediglich
zu einem solchen degradiert werden.  Daß man auf dessen solidem
Fundament ein Desktop-Addon *aufsetzen* kann ist wiederum eine ganz
andere Frage, um deren Beantwortung sich bereits mehr oder minder
erfolgreich einige Projekte bemühen.

> Diese beiden Gruppen treffen bei Linux aufeinander, mit unterschiedlichen
> Anspruechen, mit unterschiedlichen Kenntnissen. Will Linux beiden gerecht
> werden, den Spagat wagen ?
>
Nein, Linux oder besser gesagt freie Software will garnichts, nur die
Anwender (und Vermarkter?) mit ihren unterschiedlichen Ansprüchen und
Bedürfnissen bringen das leider immer wieder durcheinander.  Freie
Software will nichts, sondern nur die Anwender, die sie mit Gewinn
benutzen und deswegen gemäß der eigenen Ansprüche und Bedürfnisse
(weiter)entwickeln.  Wer sich da nicht irgendwie beteiligen kann, der
bleibt außen vor mit seinen mehr oder minder vermessenen Ansprüchen.
"Contribute nothing, expect nothing", wie es immer noch so treffend
heißt.  Freie Software hat nicht den Warencharakter kommerzieller
Software, sondern lebt von den Beiträgen der eigenen Benutzer.
 
> Wenn nein, dann kann alles so bleiben wie es ist. Von denen die sich fuer
> Linux interessieren kann dann tatsaechlich erwartet werden, dass sie sich
> das noetige Wissen aneignen.
>
Eben!  Was ist falsch daran?  Viele Anspruchsteller sind sich nicht
dessen bewußt, daß für ein Gros der Linuxanwender die Mächtigkeit von
Linux als Werkzeug im Vordergrund steht, dessen kompetente Benutzung
auch Kompetenz vorraussetzt.  Mit einem Automaten, der nur eine
limitierte Funktionalität verfügbar macht, ist einem einfach nicht
gedient, wenn man vor allem die Möglichkeiten einer gut ausgestatteten
Profiwerkstatt braucht.  Deswegen ist Win9x ja auch einfach keine
Alterantive für Linuxanwender. 
 
> Wenn ja, dann muss mehr fuer die Bedienungsfreundlichkeit getan werden.
>
... von denjenigen, die diese Eigenschaften verwirklicht sehen wollen,
insofern sie dazu in der Lage sind.  Alle anderen müssen sich halt in
Geduld üben, oder wenigstens durch *vernünftige* Bugreports beim
Debuggen mithelfen.

> Ich bin sehr zuversichtlich, dass (auch bei Debian) in diesem Bereich
> einiges entwickelt wird. Das wird aber noch ein Weilchen dauern, da die
> vielen Freiwilligen jetzt ja schon ueberlastet sind. Vielleicht finden sich
> ja noch ein paar mehr. Ich spiele auch schon mit dem Gedanken...
>                        ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^
Ohne dir jetzt zu nahe treten zu wollen: Das langt leider nicht.

Entweder man tut es im Rahmen seiner eigenen Möglichkeiten (so wie
mittlerweile immer mehr), oder man tut es nicht.  Dazwischen gibt es
einfach nichts.  Und dabei dreht es sich weniger darum, gleich die
ganze Welt verändern zu wollen.  Klasse statt Masse im Rahmen der
eigenen Fähigkeiten macht bei Debian wesentlich mehr Sinn als man
glaubt.  Und sogar aus einem anfänglich häßlichen Entlein kann ein
stolzer Schwan werden, wie die Entwicklung des "equivs"-Paketes nach
Wechsel des Maintainers anschaulich demonstriert.

> abschmettern. Die Staerke von Linux ist doch gerade, dass man die
> Wahl hat. Und so sollte auch jedem die Moeglichkeit gegeben werden
> ein "einfaches" Linux zu benutzen -- wenn er es will.
>
Falsch.  Die Stärke von freier Software besteht darin, daß man sie
sich bei entsprechender Kompetenz so gestalten kann, wie man sie
braucht.  Man bekommt nicht einfach so die Wahl geboten wie in einem
Schlaraffenland und man bekommt auch nicht einfach so Möglichkeiten
geboten, nur weil man es will - dafür muß man eben selbst etwas tun.

Daß das gemäß den Mechanismen der Produktion freier Software auch
anderen zugute kommt ist dabei zwar ein höchst angenehmer Nebeneffekt,
läßt aber leider viele Neueinsteiger überhaupt nicht bewußt werden,
daß dahinter auch Zeit, Mühe und Grundlagenarbeit steckt, an der man
sich da schadlos hält und dann auch noch auf ganz naive Art und Weise
"mehr Benutzerfreundlichkeit" einfordert.  Wenn man als DAU nicht die
Kompetenz dazu hat, dann hat man eben den Kürzeren gezogen.  Wer aber
die Kompetenz dazu hat, sieht für den eigenen Bedarf nicht unbedingt
auch die Notwendigkeit, sich DAU-kompatible Dinge aus den Fingern zu
saugen, wenn das in harter Eigenarbeit von der spärlichen Freizeit
ertrotzte Programm so fuktioniert wie erwünscht und es mit ein wenig
Lernaufwand auch so ganz gut einsetzbar ist oder ein letzlich
unnötiger Overhead z.Bsp. in Form von irgendwelchen GUI-Libraries
vermieden werden kann.  Freiheit war noch nie bequem - auch bei freier
Software nicht.

> Was ist daran schlimm nichts ueber seinen Computer zu wissen? Es sollte
> reichen, wenn man weiss wie man das macht was man machen muss/will.
> Was ist an Benutzungsfreundlichkeit schlecht? Ich bin froh, dass ich Auto
> fahren darf ohne mir Gedanken darueber machen zu muessen, wie die
> Einspritzelektronik funktioniert.
>
Daran ist garnichts schlecht.  Es ist allerdings *sehr* schlecht, die
Verwirklichung der eigenen Ansprüche bei denjenigen einzufordern, die
zwar dazu in der Lage wären, aber selbst daran kein Interesses oder
einfach keinen eigenen Bedarf haben.  Man muß entweder selbst was
dafür tun oder hoffen, daß sich jemand dafür findet, der speziell
daran Interesse hat.  Mir persönlich ist die Verbesserung eines nach
DAU-Kriterien unbrauchbaren, von anderen (mir zum Beispiel ;) aber
regelmäßig im XEmacs benutzten AUCTeX oder RefTeX deutlich lieber, als
noch ein XTerm-Klon im KDE- oder GNOME-Look.  Überhaupt finde ich, daß
der Desktop zwar durch diese Projekte "leichter" zu handhaben wurde,
aber gleichzeitig auch alles andere als - überspitzt formuliert - über
den Status von Spielzeug hinausgehende echte Funktionalität bietet
(ja, es gibt zum Glück auch hier einige rühmliche Ausnahmen).
 
> Um bei diesem Vergleich zu bleiben:
> Wir haben jetzt einen super Motor, und ein stabiles Fahrwerkskonzept.
> Lasst uns Karosserien bauen: Formel 1 fuer die die es brauchen/wollen,
> und einen Kaefer fuer die, die nur von A nach B kommen wollen.
> 
Na, dann krempel mal die Ärmel hoch und fang damit an.  Mir ist es
immer wieder suspekt, wenn von einem "wir" geredet wird, obwohl man
sich letztendlich damit in praktischer Hinsicht doch nicht mit
einschließt.  Debian bietet auch für Nicht-Programmierer die IMHO
einzigartige Möglichkeit, sich aktiv an der Entwicklung zu beteiligen.
Und wer einen echten Beitrag leistet, bestimmt damit auch zu einem
guten Teil mit, wo es letztendlich lang geht (gut gesagt, Michael!).

                          Nichts für ungut, P. *8^)
-- 
   --------- Paul Seelig <pseelig@goofy.zdv.uni-mainz.de> -----------
   African Music Archive - Institute for Ethnology and Africa Studies
   Johannes Gutenberg-University   -  Forum 6  -  55099 Mainz/Germany
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