Re: Aufruf zur Toleranz und Vorschläge für Erweiterung der FAQ
Torsten Gusko schrieb:
> Anonymität des Internets scheint immer mehr dazu zu verführen, aus
> der Ferne unangemessen hart zu reagieren. Wenn alle in einem Raum
> sitzen würden und die Fragen würden face-to-face gestellt, wären die
> Antworten natürlich ungleich weniger harsch und belehrend. Besonders
Das Problem hat zwei Seiten.
Wenn Du Dinge trocken sachlich, wie ein Mr. Data vulkanischer Abstammung
beschreibst, wird das scnell als negativ oder angreifend ausgelegt.
Nur, liegts dann nicht am Sender, es liegt auch am Empfänger, der in
unserer lieben kaputten Neid-Gesellschaft sowas gewohnheitsmässig
falsch interpretiert.
Was ist auch anderes zu erwarten, wenn die politischen "Vorbilder" der
Gesellschaft die Leute abendfüllend damit zumüllen, dass man sich
selbst darüber definiert die andere Seite herabzusetzen.
Dem Medium fehlen fast alle Elemente, die Menschen während der
Kommunikation gewohnt sind, kein visueller Eindruck, keine Stimm- und
Stimmungslage. Auch wesentlich weniger über Jahrzehnte gelernte
unbewusste Riten, die in der Sache zwar meistens albern, aber für die
Kommunikation vertrauensbildend sind.
Es bleibt ab einem Punkt unumgänglich, dass die Mehrheit nur wenige
Jahre Erfahrung mit dem Medium hat. Da können wir das Rad der Zeit
nicht schneller drehen und auch auf Dauer nicht lauter "Meister"
fordern. Aber glaube mir, das Rad dreht sich. Das heisst nicht, das im
Sinne der davor liegenden Phase immer alles "besser" wird.
Gutes Beispiel dafür ist TOFU. Zu einer Zeit, als die Kapazität des
amerik. Backbones gerade mal die einer heutigen Modemstrecke war,
machten solche Regeln Sinn. Die ursprünglichen technischen Argumente
sind aber längst obsolet. Heute wird TOFU in vielen Firmen gezielt und
bewusst genutzt. Für _diese_ Teilnehmer ist es völlig normal. Daher
stört mich TOFU nicht.
Mit TOFU kann man allerdings verdammt schlecht diskutieren. Insofern
wird sich hier der allgemeine Standard sicher weiter entwickeln. Und in
ein paar Jahren ist auch die Allgemeinheit auf einem Erfahrungs- und
Wissenstand, den einzelne vielleicht schon vor 10 Jahren hatten.
Was viele auch nicht verstehen ist, dass man eine Online-Community quasi
"nackt" betritt Die Attribute des realen Lebens spielen hier keine
Rolle, auch wenn der eine oder andere versucht, über die Signatur, mit
einer kleinen Ordensammlung oder Wimpeln das zu kompensieren. Ob Du
Vorstand, Freiberufler, Student oder obdachloser Sozialhilfeempfänger
bist ist völlig egal. Mancher versteht das nicht.
Das einzige was zählt ist, was man hier macht. Da habe ich schon
Vorstände abkacken und in kindlichste Verhaltensmuster zurückfallen
sehen, weil ihr gewohnter Habitus nach Gutsherrenart nicht
funktionierte und man auch einen 15 jährigen Schüler nur mit griffigen
Argumenten angehen kann.
Das Thema liese sich noch weiter ausführen bis in's Psychologische. Die
Leute schreiben Ihre Mails nicht in einem räumlichen Kontext, den sie
mit Öffentlichkeit und Formalität verbinden, sondern im häuslichen
Cocoon in Unterhosen und 'nem Bier daneben. Die dortige Lockerheit wird
dann schnurstracks elektronisch in die unvergänglichen Netzarchive
transportiert, um in 10 Jahren von einem elektronischen Personal
Profile Agemten als Sozialkompentenz-Score beim Bewerbungsgespräch
wieder auf den Tisch zu kommen. ;-)
> Stimmt. Neulinge sind weniger an den technischen Details
> interessiert, sondern das es funktioniert.
Knallhart: dann müssen sie in 10 Jahren nochmal kommen. Dann können Sie
Ihr e-Paper nehmen und brauchen sich nicht mehr dafür zu interessieren,
wie das eigentlich alles funktioniert.
Im Moment ist gerade das erste Jahrzehnt der allgemeinen privaten
PC-Nutzung vorbei. Davor war Computer nur ein Spielzeug für Freaks. Um
bei Deinen Autos zu bleiben, vergleiche es mit den ersten Serienautos
der Automobilgeschichte und heute. Damals musste man auch ein halber
Mechaniker sein und noch die Kurbel schwingen.
Wobei wir in 10 Jahren ziemlich sicher kein Linux mehr verwenden und
wahrscheinlich auch kein Debian.
--
rainer@ellinger.de
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